ming

(blätter // Mittwoch, 4. Mai 2005, 14:49)

und als ihr, unter meinem blick liegend nackt auf dem bett, ein feiner riß blutig quer im gesicht erschien, hatte ich wohl wieder einen satz gedacht, ihn aus der haut gerissen wie einen faden, dessen spur, dünnrote furche, jetzt sichtbar wurde. allerdings nicht für sie - man kann nicht sich selbst ins gesicht sehen, wie immer einem die spiegel sich auch zu erklären versuchen. sie schlug die augen auf und ihr blick zog mich abwärts und ich beugte mich langsam und küßte ihre wange - ihre haut war wie leinen, auf das jemand geweint hat.

da saß ich also mit dem rücken zur tür und zog die fäden aus meinem letzten segel, mit dem ich es so weit geschafft hatte, dachte ich mir. so ruderte mich mein alltag um die wunde herum: zum fischen hinausfahren, den fang einladen, das segel spannen, zum strandhaus zurück, das tuch aufs lager werfen, die nähte auftrennen, etwas essen, dann ein fangnetz knüpfen, das boot in die see schieben, zum fischen hinausfahren. und es schien mir immer wie ein erstes mal, denn in der salzigen luft zerfällt alles sehr schnell.





"den satz aus der haut gerissen" "man kann nicht sich selbst ins gesicht sehen, wie immer einem die spiegel sich auch zu erklären versuchen"

  • nur zwei von mal überraschenden, mal strudelnden bildern und gedanken, mit denen dieser text den leser füllt.

markus a. hediger, 04.05.05, 14:58

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