1. Die Stabilisierungspolitik und die Krise (Kamtschatka)
(konz // Samstag, 25. April 2009, 19:52)

Nachdem er mir einen neuen Zettel gegeben hat, nickt der Mann dem Chauffeur im Rückspiegel zu und dieser öffnet mit einem Knopfdruck die Wagentür neben mir; ich schaue auf den Zettel und steige aus. Durch die offene Tür der Limousine spüre ich die Blicke des Mannes in meinem Rücken, während ich durch den Hausein­gang gehe. Die Kellertür steht offen („Komm runter! Die Tür steht offen!“ – mit Herzen als Rufzeichen – sagt der Zettel) und ich steige im gelblichen Licht alter Glühbirnen hinab. Ein Labyrinth mit Holzlatten vergatterter Kellerabteile nimmt mich in Empfang; ich folge den Anweisungen auf dem Zettel. Es ist niemand zu sehen oder zu hören, gleichwohl weiß ich, dass man mich beobachtet. Ich gehe an Holzlatten und Vorhängeschlössern vorbei: alle Abteile sind leer. Nur im zweiten Gang rechts steht im dritten Abteil links ein kleiner Schreibtisch in der Mitte mit einem Computer und einer kleinen weißen Lampe, auf dem Stuhl davor liegt ein Paar Kopfhörer. Die Tür steht offen. Beim Eintreten sehe ich auf dem Bildschirm das Fenster eines Videochats. Das Bild zeigt ein Kellerabteil wie meines und eine Gestalt, die sich der Kamera nähert. Es ist die Frau, aber sie trägt jetzt ihre Haare wie ich, in der gleichen Farbe. Ich kenne auch ihre Kleidung, ich besitze die gleichen Stücke. Sie hebt von unterhalb des Bildrandes, vielleicht von einem Stuhl, ein paar Kopfhörer auf; ich bin nicht diese Frau, aber ich habe sie schon einmal gesehen. Ich hebe die Kopfhörer von meinem Stuhl auf und setze mich. Ich kann keine Kamera am Computer vor mir oder anderswo in diesem Raum entdecken, doch das muss nichts bedeuten. Wir setzen die Kopfhörer auf; ihr Bild schaut mich an. Ich sehe die Lippen der Frau sich bewegen und höre eine Stimme, vielleicht ihre, aus den Kopfhörern sprechen. Ich habe kein Mikrofon. Unterhalb des Bildes erscheint auf dem Schirm eine Zeile Text: „Hallo. Wir haben nicht viel Zeit. Was willst Du?“



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