neues jahr

(exil // Montag, 3. Januar 2005, 09:15)

ich schreibe im kopf. der bildschirm ist eine beleidigung, denkt die innenseite meiner stirn. will ich mich erinnern, muß ich rückwärts schreiben.

in der tube lege ich den kopf in die hände, die ellenbogen gestützt auf die knie, und höre eine große zahl stimmen, ein schatten sehnsucht nach dem dom, den diese stadt verloren hat, ohne es zu wissen. stimmen von jenseits der dritten grenze, die aus den gesichtern der menschen fallen hier, in dieser stadt, die stein und bein gegen ihr vergehen und ihr verlangen setzt, ein langes gehen durch zweitausend jahre geschichte.

ich habe jeden moment wieder die wahl mich zu schreiben oder zu lesen oder zu schlafen oder den samen zu verschütten. um freiheit kämpfen und fallen / mut schöpfen / endlich tot sein / aufgeben.

der flug in die alte junge stadt war ein wunder, den flug zurück in die junge alte verließ ich wie ein kriegsgebiet. vielleicht lag es daran, daß der erste so sehr abheben war und zweite so sehr ein abstieg gegen das grab erde.

nichts vorzuschreiben wäre ein vorsatz: keine vor-sätze, sondern die hände übereinander an den griffel legen, körper zu federn machen in der weiße des raums, abfedern von dem, was wir schon wissen, vom ich abfedern in das gemeinsame, aus dem das andere sich zu entfalten beginnt und fließt und seinen willen hinter unsere stirn setzt. die zeit dafür haben, indem man sie erschafft, den raum dafür haben, indem man ihn gibt. später. nicht aufgeben. ein langes gehen, stein und bein.

nichts wird so, wie ich es plane, also plane ich nicht, ich nehme mich mir vor, das sollte alles sein. nicht neben der frau geschlafen, deren atem ich hören wollte, in der nacht des umschlags, der reinwaschung, die lippen gewechselt ohne schlechtes gewissen (das kam hinterher, wie es mir immer hinterherkommt: ein geprügelter hund). zweite frau und drittes bett am ersten tag. keine letzten dinge und keine ersten, nur mittlere.

sie tragen mich aus dem gang unter der erde hoch ans licht. die luft ist reingewaschen und klar: ein neues jahr hat begonnen. den griff um den griffel lockern und wieder zufassen und wieder das schaben unter der stirn spüren: noch verliert sich meine spur nicht im dunkel.

rückwärtsschreiben führt, ein langes gehen, ein vergehendes verlangen, zum ersten, dem umgekehrten, tod. zuviel für meine müdigkeit. aber ein neues jahr. mut zu schöpfen, mut wegzukämpfen. und schlafen. und den samen verschütten.



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