die ubahnfahrerin

(stücke // Dienstag, 8. März 2005, 21:10)

aus gründen, die auszuführen hier zu viel zeit kosten würde, fahre ich jeden sonntag nachmittag eine bestimmte strecke mit der ubahn. auch an anderen tagen fahre ich mit der ubahn, mehr oder weniger regelmäßig, aber der sonntag ist insofern besonders, als daß es mindestens einmal im monat zu einem zwangsaufenthalt auf offener strecke kommt, der leicht 2 stunden dauern kann. warum bringen die sich immer am sonntag nachmittag um? und warum immer auf meiner strecke? ich habe versucht, früher zu fahren, oder später, doch es scheint, als würde ein immer gleicher lebensmüder immer wieder nur auf die bahn warten, in der ich sitze. ich habe versucht zeitung zu lesen, aus dem fenster zu sehen, zu schlafen, im ersten wagen zu fahren, im letzten, in einem beliebigen anderen, doch es scheint, als würde ich verfolgt.

wenn plötzlich nach einer kurve auf offener, oberirdischer strecke die scharfe bremsung beginnt und sachen und leute durcheinanderfallen, weiß ich schon, daß es wieder passiert ist. mit jeder bremsung, jedes mal, stelle ich mir das bild genauer vor, das sich dem zugführer (immer denke ich, daß es ein mann sein muß) bieten muß, sekunden bevor er versucht, seinen zug noch rechtzeitig zum stehen zu bringen. was er wohl denkt? wie lang die zeit wohl wird, in der er mit und in seiner ubahn auf die stelle zurollt, wo auf den gleisen der körper liegt? wie liegt er da, dieser körper, wohin schaut sein gesicht? und ruft der zugführer, versucht er, der gestalt dort draußen etwas zuzurufen, was sie weder hören kann noch hören will?

und nach der wartezeit, wenn die bahn langsam wieder anfährt und im schrittempo die zone passiert, und alle die hälse recken, um einen hinweis zu erhaschen - eine abgetrennte hand, die auf der böschung übersehen wurde, weil sie so weit flog, einen blutfleck neben den schienen, wagen mit offenen türen, gestalten, und eine decke über einem körpergroßen klumpen -, suche ich in meiner erinnerung nach dem grund, nach der bedeutung der nachricht, die mir jemand zu schicken versucht.



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