du rchl-cht!

(exil // Mittwoch, 9. März 2005, 23:51)

ich hasse das: leute, die sich in meinen double-binds fangen lassen, die versuchen, den anforderungen gerecht zu werden, die ich an sie stelle, diese ständigen gesten der entschuldigung, diese versuche, die spuren ihrer möglichen fehler zu verwischen, wie bedürftig meiner huldigung, ah, ich liebe das, leute, die sich in meinen double-binds fangen lassen, ah, ich kann sie nicht ertragen, weg damit, weg!

man muß seine liebe an bedingungen knüpfen, sonst ist sie ja nichts wert. man will sich ja nicht unter wert verkaufen. aber natürlich glaubt man nicht ernsthaft, jemanden lieben zu können, der versucht, einen zu kaufen mit dem erfüllen dieser bedingungen, der versucht, diese liebe zu verdienen wie ein hund, der kunststückchen lernt.

warum ist der erste teil gut, der zweite schlecht? der erste spielt, der zweite nimmt sich ernst, heißt: kennt nur sich. der erste denkt an affekte gebunden, der zweite glaubt, davon frei sein zu können, so ein erklärender gestus, third-person-scheiße. ein denken, das glaubt, gefühlsneutral sein zu können, brrr, nicht gut, nicht gut.

hm. hirnhälften?





Double bind ist doch recht gut verstanden, und klar ist: Niemand wird ohne es zu bemerken Opfer. Wem mit double bind begegnet wird, der weiß das. Nicht begrifflich vielleicht, aber irren kann er sich nicht: Er merkt, daß von ihm widersprüchliches verlangt wird. Und er erträgt es, wenn er in der Situation bleibt. Bewusst. Aus freien Stücken.

Niemand muß sich das antun. Ein Opfer könnte auch sagen: Das genügt nicht meinen Ansprüchen, was du da machst, versuch erstmal, dich zu einer Person zu integrieren, und wenn du fertig bist damit und aufhörst, die emotionale Streckbank zu spielen und auch noch zu denken, das steigere deinen Wert, dann melde dich wieder.

Aber das tun die Opfer eben nicht immer. Manche sind souverän und hängen das alles etwas tiefer. Sie stehen lächelnd dabei und denken sich "Oh Teufel, wieder so'n Doublebind-Generve, jetzt ist nichts mehr zu gewinnen. Welche Rolle hätt' ich denn heute gerne, mach ich's heute falsch oder zeige ich Kunststückchen? Na? Welchen Vorwurf such ich mir heute aus?" (Denn: tertium non datur, wenn dieses Spiel erstmal gespielt wird. Egal wer spielt.)

Ein solch gelassenes Metaverhalten kann man natürlich selbst wieder im doube-bind-Rahmen bewerten (und armselig finden).

Man könnte es aber auch einfach mal lassen. Ohne sich dann gleich selbst wegen Affektfreiheit vor den inneren rosa Plüschrichter zu bringen. Es gibt eine Reihe von Mitteln gegen double-bind-Schäden. Den Opfern ihre Rolle vorzuwerfen, gehört nicht dazu. Klingeling, sie haben sich die nicht ausgesucht. Sich selbst des Willens zur "Gefühlsneutralität" zu verdächtigen, gehört auch nicht dazu. Entgegen verbreiteten Vorurteilen ist Emotionalität nicht mit der vehementen Einforderung jedes anfallenden Anspruchs identisch.

("Man will sich ja nicht unter Wert verkaufen." Man will sich also verkaufen? Und wenn man es nicht will, weil man bemerkt, daß es armselig und kleinlich und überhaupt in hanebüchenen Begriffen gedacht ist, dann ist diese beginnende Einsicht affektfreie "third-person-Scheisse"? Himmel! Dekonstruktion JETZT!)

Das hier geht also im Oberlehrerton nach Pommerland: "Liebe" ist ein schweres Wort mit einer Geschichte. Wenn man sich die anschaut, stellt man fest, daß es keine glücklich endenden Liebeserzählungen gibt, in denen ein doppelt gebundener einen dritten Weg gefunden hätte. Wenn man von "Liebe" sprechen will (nicht von Körperkonsum), sollte man akzeptieren, daß double binds keine Fallen sind, die zuschnappen oder nicht. Sie sind immer ruinös. Im Großen (dem berühmten "ich hasse dich, verlaß mich nicht" z.B.) wie im Kleinen: Ein Abend ohne double bind gelingt schon mal, einer mit ist von vornherein verdorben. Natürlich kann man den unreifen Quatsch (denn genau das ist es) nicht einfach mal lassen, wie oben polemisiert. Aber verteidigen und zum Ausdruck des Affektiven überhöhen sollte man ihn nun wirklich nicht.


spalanzani, 14.03.05, 13:35



das ist alles ganz richtig, geht aber an dem vorbei, was ich hier versuche, nämlich mich zu lesen, distanz zu gewinnen, und sei es über spiele. das ist hier kein dienstleistungsunternehmen für jeden, der kurz mal verbeikommt und glaubt, mich belehren zu müssen. so reif bin ich mittlerweile, nicht gerne andere leute zu schlagen oder - schlimmer - sie dazu zu bringen, sich selbst zu schlagen. was leider nicht heißt, daß ichs nicht trotzdem täte, und eben das ist im moment, was mich interessiert. was tun sie denn hier, herr klugscheißer?

und wo sage ich eigentlich, daß zuerst von "liebe" die rede wäre und nicht von etwas anderem? und wo genau verteidige ich, was dort geschrieben steht? was stört sie denn? fehlt die geste der reue, asche auf mein haupt und das gelöbnis, so nie wieder zu handeln? aber das würde ihnen ja den spaß am oberlehrerton rauben, nicht wahr?


isore, 14.03.05, 18:34



Gut, das habe ich verdient.

Wenn ich Ihre Frage ernst nehme, antworte ich: Ich lese sie. Sie lesen sich auch, und sie tun es öffentlich. Das ist mutig und gefährlich.

Aber es ist nicht nur für Sie gefährlich, sodern auch für ihre Leser. Deren Existenz akzeptieren Sie zumindest. Und sie nehmen Ihre Leser mit, wie das so ist beim Lesen, und wie das so ist, probieren Leser Figuren aus im Text. Auch die schwachen Figuren.

(Ich weiß nicht, ob das ein Kompliment ist oder eine Trivialität. Jedenfalls lese ich nicht viele Weblogs, und ich war heute weder zufällig noch zum ersten mal hier.) In privaten Weblogs, mit diesem Ruch der Wirklichkeit, schaut man Menschen. Und das geht einen an, was die tun, man kann sie nicht sich selbst lesen lassen und ihre Deutungen hinnehmen; genau wie man es nicht könnte, säße man nebeneinander in einer Küche und tränke grünen Tee.

Meinen heftigen Ärger über diesen Eintrag kann ich erklären und muß es vielleicht: Egal, warum sie das tun, was Sie hier tun - Sie begehen eine Ungerechtigkeit. Dieser Text, in all seiner Schnoddrigkeit, wirft Menschen Dinge vor, die Sie ihnen antun. Und zwar mit einem nicht gerade liebenswürdigen Blick. Der Gedanke beunruhigt mich, verzeihen Sie mir, daß es da wirklich jemanden geben könnte, der versucht, Ihre Liebe zu verdienen, wie ein Hund, der Kunststücke lernt, während Sie sich ego-neugierig bloß fragen, warum sie ihn in diese Rolle drängen und ob Sie wohl von den Hirnhälften angestiftet sind.

Wenn ich Sie belehre, erst recht mit der ausgelutschten Opfer/Täter-Unterscheidung, dann um gegen ein Unrecht etwas zu setzen, aus einem sozialen Reflex, einem Ärger heraus. (Moralisch verbleiben wir damit unentschieden, denn mein Ärger ist nicht gerechter als Ihre Verachtung. Ich überhebe mich nicht, jedenfalls will ich es nicht, glauben Sie mir.)

Was den Vorwurf des Sadismus angeht: Ich verdienen ihn für Heftigkeit und Unbesonnenheit. In der Sache aber ist es kaum Sadismus, wenn ich Sie darauf hinweise, daß die Fehler in der beschriebenen Situation nicht von denen gemacht werden, denen Sie sie in die Schuhe schieben wollen. Gerade wenn Sie hier an einer Distanz zu sich selbst arbeiten, können Sie mir kaum vorwerfen, Ihnen einen anderen Blick auf sich zu geben -- den sie nicht mögen. Ich schlage Sie nicht, Sie sollen sich nicht selbst schlagen (als wäre das die einzige mögliche Konsequenz aus Fehlern). Ich rate nur, nein: Als mitgeprügelter Leser-Hund fordere ich ein: Hassen und lieben Sie sich für Ihre double-binds und nicht die Leute dafür, ihnen nicht entkommen zu können.

Im Übrigen fühle ich mich unwohl in dieser Therapeutenrolle, in die ich mich manövriert habe. Löschen Sie, was das Zeug hält!

[Antworten-Nachtrag: Wenn Sie im zweiten Absatz nicht von Liebe (welcher Form auch immer) sprechen, habe ich Sie mißverstanden. Wovon sprechen Sie? -- Und: Sie verteidigen nicht, aber Sie werten Ihre rationalen Ablehnungen der Situation, in die Sie sich und andere bringen, als "third-person-Scheiße" ab, oder?]


spalanzani, 14.03.05, 19:57



ich versuche mal, den prozeß zu beschreiben: ich entdecke die emotionale grundierung in mir als double-bind-konstrukteur, und wie sie strukturell wieder ein double bind ist. man fängt sich ja selbst in der schlinge. das ist der erste teil. dann distanziere ich mich davon und versuche zu deuten. der zweite teil ist läppisch und nicht weit ausgeführt, weil er mich schnell langweilte, weil er auch nichts hervorbringt außer bestenfalls küchenpsychologie und schlimmstenfalls eine entschuldigung, und daß der erste teil eine ethisch fragwürdige haltung beschreibt, ist ja wohl ziemlich klar. der dritte teil ist eine (zwangsläufig (?) amoralische) reflektion über das literarische potential der beiden ersten text-teile, und darauf bezieht sich auch diese gehirnhälften-geschichte: woher kommt diese automatisch sich ergebende zweiheit des schreibens, und wo ist sie gefährlich (wenn nämlich die zweite stimme objektivität vorzutäuschen versucht und sich in ihrer sogenannten rationalität wichtig macht, um der ersten etwas zu erklären, was die schon weiß). es ist kein einheitlicher, identischer "mensch", der da spricht, es ist ein dreistimmiger text.

der ist nicht sehr gut, darum geht es auch zuerst nicht, er vergißt die leser, ja, das stimmt, aber in welcher beziehung? pommerland ist mein tagebuch. es ist irgendwie pervers, ein tagebuch öffentlich zu führen, denke ich, aber der modus hilft mir beim schreiben, und schreiben hilft mir im moment bei anderen dingen. der komplex ist noch größer, das tut jetzt nicht so viel zur sache. der punkt ist aber: ich kann mich lesend von meinem geschriebenen distanzieren, auch wenn ich es schreibend noch nicht sehr gut beherrsche, ohne mich zu belügen. dieser andere blick, den sie mir hier zum geschenk machen wollen, gelingt mir zumindest in diesem offensichtlichen fall auch. und ich gehe davon aus, daß es bei anderen lesern ebenso ist, und ob die dann annehmen, bei mir wäre es nicht so, oder doch, ist mir ehrlich gesagt ziemlich schnuppe. ich werde aber nicht annehmen, daß texte hier die leser vergiften, weil ich mich für reflektierter halte als sie (denn das bin ich in diesem bereich ja eben nicht, deswegen der aufwand), und deswegen warnschildchen anbringen. auch auf die gefahr hin, mich dann beschimpfen zu lassen.

ich übe, den blickpunkt zu wechseln, ich tue es. kein punkt ist besser als der andere. und gegen die gewalt, die ich anderen antue, hilft nach ihrem erkennen, schreibend, kein schreiben weiter, sondern ich muß anders handeln. das aber findet nicht hier statt, wo der text ist, sondern dort, wo ich bin. spuren hinterläßt es erst später, falls es gelingt. die kritik, wenn auch gut gemeint, geht also ins leere.


isore, 14.03.05, 20:33



Danke.

Ich will gar nicht ausschließen, daß ich hier projiziert habe. Vielleicht beklage ich mich bei Ihnen über die Unsitten anderer Internettagebuchschreiber. Zumindest mit. Und fast sicher.

Und ich habe Sie mißverstanden. Meine Schuld. Ich habe den dritten Absatz nicht als Reflexion über die beiden vorhergehenden Absätze gelesen, sondern als eine über die zwei Teile einer typischen double-bind-Strategie. Das nimmt viel von meiner Kritik (die so gut nicht gemeint war, da müssen wir uns nichts vormachen) die Spitze.

Ich verteidige mich noch, schwach, in zwei Punkten: Diesen Zweitblick wollte ich, erstens, nicht schenken, ich wollte ihn drunterschreiben, weil er drüber nicht stand, jedenfalls in meiner Lesart. Und ich hoffe, zweitens, daß ich Sie nicht wirklich beschimpft habe.


spalanzani, 14.03.05, 22:50



ist kein problem. es tut mir gut, mal daran erinnert zu werden, daß ab und zu ein anderer liest, was ich hier anrichte, und folgert. was ich zur zeit schreibe, ist sehr zwischen den stühlen.


isore, 15.03.05, 01:07

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