das dritte oktavheft plündern

(plünderungen // Montag, 11. April 2005, 19:36)

(quelle)

Alle Wissenschaft ist Methodik im Hinblick auf das Absolute. Deshalb ist keine Angst vor dem eindeutig Methodischen nötig. Es ist Hülse, aber nicht mehr als alles außer dem Einen.

Schwäche des Gedächtnisses für die Einzelheiten und den Gang der eigenen Welterfassung – ein sehr schlechtes Zeichen. Nur Bruchstücke eines Ganzen. Wie willst du an die größte Aufgabe auch nur rühren, wie willst du ihre Nähe nur wittern, ihr Dasein nur träumen, ihren Traum nur erbitten, die Buchstaben der Bitte zu lernen wagen, wenn du dich nicht so zusammenfassen kannst, daß du, wenn es zur Entscheidung kommt, dein Ganzes in einer Hand so zusammenhältst wie einen Stein zum Werfen, ein Messer zum Schlachten. Andrerseits: man muß nicht in die Hände spucken, ehe man sie faltet.

Es gibt keine Beobachtung der innern Welt, so wie es eine der äußern gibt. Zumindest deskriptive Psychologie ist wahrscheinlich in der Gänze ein Anthropomorphismus, ein Annagen der Grenzen. Die innere Welt läßt sich nur leben, nicht beschreiben. – Psychologie ist die Beschreibung der Spiegelung der irdischen Welt in der himmlischen Fläche oder richtiger: Die Beschreibung einer Spiegelung, wie wir, Vollgesogene der Erde, sie uns denken, denn eine Spiegelung erfolgt gar nicht, nur wir sehen Erde, wohin wir uns auch wenden.

Psychologie ist Ungeduld.

Alle menschlichen Fehler sind Ungeduld, ein vorzeitiges Abbrechen des Methodischen, ein scheinbares Einpfählen der scheinbaren Sache.

Was soll ich tun? oder: Wozu soll ich es tun? sind keine Fragen dieser Gegenden.

Das Stillewerden und Wenigerwerden der Stimmen der Welt.

Es gibt Überraschungen des Bösen. Plötzlich wendet es sich um und sagt: »Du hast mich mißverstanden«, und es ist vielleicht wirklich so. Das Böse verwandelt sich in deine Lippen, läßt sich von deinen Zähnen benagen und mit den neuen Lippen – keine frühern schmiegten sich dir noch folgsamer ans Gebiß – sprichst du zu deinem eigenen Staunen das gute Wort aus.

Gingest du über eine Ebene, hättest den guten Willen zu gehen und machtest doch Rückschritte, dann wäre es eine verzweifelte Sache; da du aber einen steilen Abhang hinaufkletterst, so steil etwa, wie du selbst von unten gesehen bist, können die Rückschritte auch nur durch die Bodenbeschaffenheit verursacht sein, und du mußt nicht verzweifeln.

Leoparden brechen in den Tempel ein und saufen die Opferkrüge leer; das wiederholt sich immer wieder; schließlich kann man es vorausberechnen, und es wird ein Teil der Zeremonie.

Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern.

Die Untauglichkeit des Objekts kann die Untauglichkeit des Mittels verkennen lassen.

Das Tier entwindet dem Herrn die Peitsche und peitscht sich selbst, um Herr zu werden, und weiß nicht, daß das nur eine Phantasie ist, erzeugt durch einen neuen Knoten im Peitschenriemen des Herrn.

Den Glauben richtig verteilen zwischen den eigenen Worten und den eigenen Überzeugungen. Eine Überzeugung, nicht in dem Augenblick, in dem man von ihr erfährt, verzischen lassen. Die Verantwortung, welche die Überzeugung auflegt, nicht auf die Worte abwälzen. Überzeugungen nicht durch Worte stehlen lassen, Übereinstimmung der Worte und Überzeugungen ist noch nicht entscheidend, auch guter Glaube nicht. Solche Worte können solche Überzeugungen noch immer je nach den Umständen einrammen oder ausgraben.

Die Krähen behaupten, eine einzige Krähe könnte den Himmel zerstören. Das ist zweifellos, beweist aber nichts gegen den Himmel, denn Himmel bedeuten eben: Unmöglichkeit von Krähen.

Einer staunte darüber, wie leicht er den Weg der Ewigkeit ging; er raste ihn nämlich abwärts.

Das Wort ›sein‹ bedeutet im Deutschen beides: Dasein und Ihmgehören.

Dreierlei:

Sich als etwas Fremdes ansehn, den Anblick vergessen, den Blick behalten.

Oder nur zweierlei, denn das Dritte schließt das Zweite ein.

Das Böse ist der Sternhimmel des Guten.

Im Kampf zwischen dir und der Welt sekundiere der Welt.

Es gibt Fragen, über die wir nicht hinwegkommen könnten, wenn wir nicht von Natur aus von ihnen befreit wären.

Die Sprache kann für alles außerhalb der sinnlichen Welt nur andeutungsweise, aber niemals auch nur annähernd vergleichsweise gebraucht werden, da sie, entsprechend der sinnlichen Welt, nur vom Besitz und seinen Beziehungen handelt.

Man lügt möglichst wenig, nur wenn man möglichst wenig lügt, nicht wenn man möglichst wenig Gelegenheit dazu hat.

Aber unter allem Rauche ist das Feuer und der, dessen Füße brennen, wird nicht dadurch erhalten bleiben, daß er überall nur dunklen Rauch sieht.

Der Standpunkt der Kunst und des Lebens ist auch im Künstler selbst ein verschiedener.

Die Kunst fliegt um die Wahrheit, aber mit der entschiedenen Absicht, sich nicht zu verbrennen. Ihre Fähigkeit besteht darin, in der dunklen Leere einen Ort zu finden, wo der Strahl des Lichts, ohne daß dies vorher zu erkennen gewesen wäre, kräftig aufgefangen werden kann.

Ein Glaube wie ein Fallbeil, so schwer, so leicht.



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