zur entwicklung der modellfunktion des raums im kollektiven theater

(modell // Donnerstag, 26. April 2007, 18:44)

jeder für das theater gebaute raum braucht einen blinden fleck, an dem er sich nicht sieht, gleichsam einen punkt, in dem jede referenz verschwindet und aus dem sie auftaucht. unerläßlich, daß ein gebauter raum egomodell ist, solange es eine instanz gibt, die das spiel darin organisiert: der blinde fleck steht dem inszenator zur verfügung als seinen eigenen repräsentierend, alles nicht gewußte mag dorthin gerichtet sein, alles deuten dort seinen (geheimen) ursprung haben.

wo aber hat ein theater ohne inszenierungsinstanz außerhalb des repräsentationsraumes seinen blinden fleck? hat es soviele nullpunkte wie spieler, eine art pluralistische verdunklung, die sich im blick des anderen aufhebt? wenn ein (wenn auch gebauter) raum einem chor zur heimstatt oder zum exil wird, also als utopischer raum geteilt ist, seine teilung sogar wesen seiner utopie ist, ist er dann noch raum eines bewußtseins? wo hat kollektives bewußtsein seinen blinden fleck?

wir vermuten, daß es für diese verdunklungsfunktion in einem solchen raum keinen ort mehr gibt, daß vielmehr der blinde fleck in die zeit rutscht, er ist dort zu umspielen, er ist präsent vielleicht im moment des innehaltens, der für die utopische funktion des chorischen raumes der antizipierende moment ist, in dem das zerfallen zu sich kommt und sich aufhebt. dieser zeitpunkt wäre dann aber nicht verdunkelnd, sondern erhellend?

es geschieht nichts, das mit anderem verbunden wäre in diesem moment, er fällt aus aller handlung, aller folgerichtigkeit allemal, heraus, oder besser: der "schwanz von retentionen" hinter und der "horizont der protentionen" vor ihm fallen in ihn hinein. so schluckt der blinde fleck die referenz und er spuckt sie wieder aus, aber das schlucken selbst, das verschwinden im dunkel, das auftauchen aus dem dunkel, erhellt seinen ort. so ist es auch mit dem zeitpunkt, den wir die ankunft nennen wollen: seine leere ist seine potentialität zur deckung gebracht mit dem potential des chors, der an ihm stillsteht, sich in sein entstehen stellt, das nicht, wie seine bewegung, horizontal geschieht, sondern aus einer eigentümlichen, der nur ihm eigentümlichen vertikale jenseits der einzelnen, aus denen er kommt.

bei dieser zone in der zeit (denn eine solche muß es sein) handelt es sich freilich um: ruhe. folgen wir platon im parmenides (156 d-e), so stellen wir fest, daß wir tatsächlich von rändern in der zeit sprechen müssen, unendlich dünn, der ankunft entsprechend eine abfahrt, ein verdoppeltes nu mit unterschiedlichen vorzeichen, wie die zwei hälften des grenzwerts an einer asymptote:

Denn aus der Ruhe geht nichts über, solange es noch ruht, noch aus der Bewegung während es sich noch bewegt, in die Ruhe; sondern der Augenblick, dieses sonderbare Etwas, liegt zwischen der Bewegung und der Ruhe, keiner Zeit angehörig; und in ihm, aus ihm geht das Bewegte in die Ruhe über und das Ruhende zur Bewegung.



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