abgebr. | |||
meine angst ist groß. größer als ich. vielleicht ist sie zweieinhalb meter groß; ich bin nicht gut im schätzen von maßen. sie ist auch breiter als ich - wenn sie vor mir steht, sehe ich fast nichts mehr. aber meistens läuft sie schräg hinter mir, ein gebückter schatten im augenwinkel. meine angst hat keine haare und eine sehr dunkle, glatte haut, die mich an reptilien denken läßt. ihre hand ist kühl und trocken und hat keine falten. die legt sie mir oft auf den mund, oder vor die augen, oder sie hält mich mit einem druck auf die brust zurück, der keinen widerspruch duldet: "nein, hier gehst du nicht weiter". die stimme meiner angst ist ruhig und fest, aber tonlos, so als würde sie laut flüstern. meine angst hat kein gesicht. sie ist ein einziges großes auge aus kühler dunkler haut. ich liege auf dem bett, die vorhänge sind zugezogen. es ist still. ich atme tief ein und aus und schließe die augen und stelle mir meine angst vor. (meine angst hat keinen geruch.) stelle mir vor, sie würde auf dem drehstuhl neben dem bett sitzen, mit übereinandergeschlagenen beinen. (meine angst atmet nicht.) und mich anschauen. nach einer weile spüre ich an meiner linken wange, wie ich beobachtet werde. ich öffne die augen nicht, und meine stimme hat einen metallischen klang. "hallo angst," sage ich, "schön, daß du da bist. wir müssen miteinander reden." |