schubert - der neugierige (fi-di)







den schert's, wo sein stern hing der reibt den alten nabel am herz, wo die schnur hing der schneit, schneidet, schreibt dem kalten kabel: vom erz, dass es gut ging den verzehrts, so ein unding im zurückloch, im wiederhoch, die sterbende schleimangel ins hoffenblauschlupfende weiß der grünbissigen hindsdirn gehalten: hirnrindenringender glutgraben, klogeruchs wisschenafter, greisalbendes großvaterkind, gut gebautes vergehen. im eimer: der obrige tigerhalsvorschub, das geleiche, der galubige tastsachenfettstelldung mit den dicktittigen "her schaffts"-beruhigungen, da hängen die sich dran, einsilbig, an den wurmwortvorsatzwichstumsbrauch: hin zum geruch, zum gelück, zum interessengaasss - den verzehrts, so ein unding der zückt die lochmaske der reibt den alten abel am herz, wo die schur hing






schumann/eichendorff - mondnacht (fi-di)







andrej platonow - die baugrube


Am Tag der dreißigsten Wiederkehr seines Eintritts ins persönliche Leben wurde Wostschew aus der kleinen Maschinenfabrik, wo er sich bislang seinen Unterhalt verdient hatte, entlassen. Im Kündigungsschreiben hieß es, man müsse ihn aus der Produktion entfernen im Hinblick auf seine zunehmende Körperschwäche und wegen Grübelns inmitten des allgemeinen Arbeitstempos.






bgb § 923 (Grenzbaum), Abs. 1


Steht auf der Grenze ein Baum, so gebühren die Früchte und, wenn der Baum gefällt wird, auch der Baum den Nachbarn zu gleichen Teilen.






peter huchel


AM TAGE MEINES FORTGEHNS entweichen die Dohlen durchs glitzernde Netz der Mücken.

Am Acker klebt der Rauch des Güterzuges, der Himmel regenzwirnig, dann grau gewalkt, ein schweres Tuch, niedergezogen von der nassen Fahrspur.

Namen, vernarbt and überwuchert von neuen Zellen, wie die verzerrte Schrift im Baum — ein eisiger Hauch fegt über die Tenne der Worte. Die Mittagsdistel erlosch im heuigen Licht der Scheune.

Die leichte Dünung wehender Gräser verebbt an den Steinen. Gealtert geht das Jahr mit stumpfer Axt, ein Tagelöhner, auf den Spuren des Dachses über die Hügel davon. Die Leere saust in den lehmigen Löchern der Uferschwalben.






wiegenlied


For want of a nail, the shoe was lost; For want of the shoe, the horse was lost; For want of the horse, the rider was lost; For want of the rider, the battle was lost; For want of the battle, the kingdom was lost; And all for the want of a horseshoe nail.






der autor


istván vas schrieb mit vorliebe in unlinierte quarthefte, dutzendware mit einem deckblatt aus grauem altpapier und aufgeklebten etikett, auf dem man den inhalt des heftes vermerken konnte. bis zu seinem 36. lebensjahr hatte er eine beachtliche menge dieser hefte vollgeschrieben: längere und kürzere prosatexte, entwürfe für erzählungen, miniaturen, aphorismen und die für ihn charakteristischen elliptischen gedichte, die er vorwiegend auf reisen niederzuschreiben pflegte. alles das natürlich voller striche, korrekturen, querverweise, abbrüche, randglossen, markierungen für geplante veröffentlichungen und dergleichen. wir können bis heute nicht mit gewissheit sagen, was ihn dazu brachte, dann so unvermittelt mit dem schreiben aufzuhören.

vielleicht war es der tod seiner mutter, der in diese zeit fiel und ihn, wie seine frau und enge freunde später berichteten, schwer getroffen hatte, ihn über monate hinweg förmlich zu lähmen schien. vielleicht war es der punkt seiner künstlerischen entwicklung, an dem er mit seiner letzten, nie veröffentlichten erzählung "abschreibung" angelangt war - über die er sich bis zu seinem tragischen ende beharrlich ausschwieg. vielleicht auch hatte er wirklich jene "offenbarung", von der er in einigen der immer seltenen intervies sprach, also eine art epiphanie oder erkenntnis, die ihm den weiteren weg wies. solange wir nichts davon mit bestimmtheit ausschließen können, werden wir annehmen, daß es das zusammenwirken mehrerer momente war, das die vielfältigen entwicklungslinien im leben istván vas' im herbst des jahres 1974 auf eine weise zusammenführte, die seine schreibweise so radikal zu ändern vermochte.

denn die formulierung: "mit dem schreiben aufzuhören" ist natürlich irreführend, istván vas legte in den folgenden jahren großen wert auf die feststellung, daß er durchaus nicht das schreiben "aufgegeben" habe, wie es in den zeitschriften, die damals noch über ihn und sein werk berichteten - einige, wie man nun sagen muß: "reguläre" veröffentlichungen waren nicht unbeachtet geblieben, einige preise hatten das ihrige getan, ihn für die presse interessant zu machen -, gerne bezeichnet wurde. nichtsdestoweniger tat sich der literaturbetrieb mit istván vas' neuer "produktion" schwer; seine angebote, auch die neuen arbeiten zu veröffentlichen, stießen entweder auf achselzucken oder eher noch auf jene reaktionen, die menschen an den tag legen, wenn sie nicht ganz sicher sind, ob man sie nicht etwa vorzuführen versucht.






weh


Es war im Jahre 1624, da ward in Lüften eine seltsame Stimme gehört, die rief: Weh! weh über Pommerland! Weissagende Vögel erschienen, schneeweiß, von Farbe, nicht größer wie Schwalben, und wurden von mehreren Leuten gesehen und gehört. So vernahm eines Leinewebers Frau auf dem Wege von Kolbatz nach Selov eine warnende Vogelstimme. (quelle)






echo


wie sie die finger hält, kuppe an kuppe legend im wechsel, über die schwelle herz, deren schlag in die tiefe, dem leerlauf des möglichen eine decke zu geben. lücken hat ihr gewebe, daß sie das stolpern des anderen hören kann am benachbarten ort, das fallen der steine in die minuten und wie sich ringe bilden in der zeit. ihr gehen in alle in ihr gehen alle richtungen.






hellbraun


stolz fühlte ich sich, den rehkörper im gras der lichtung in seinem rücken liegen zu haben. so fadig stieg der rauch aus dem brüten der sehnen, daß seine decke haut, ihr fell, kaum zeichen gab, die hätten ihn retten können aus der ordnung der borken, der hirnstammschrift. ich hatte sein grün in ihr bild abgelegt, das nicht kam und nicht ging, sein auge nicht welkte, nicht wurde es blasser, nicht sog seine wange ich auf en passant. nur im rehgang hatte es sich festgehakt, sehnen nach sich gezogen und im rücken das lächeln der gravitation: ein heller fleck in der mitte der lichtung.






+/-


deine schuppige haut, die verkarstete blindheit, an der sich die zeit die lippen zerreißt, wenn du sie durch die gitterwelt schiebst, wird nachts ein alter tonscherbentunnel, den die farben durchziehen und der stetig flüchtige klang, der durch die ritzen nach außen dringt und versickert im flußbett der dunkelheit, wenn nicht, wie manchmal, du wach neben dir liegst, ihn einzuatmen: eine tagesration.

denn auf der kehrseite scheint die sonne, oder gibt vor zu scheinen, oder etwas gibt licht, das "sonne" zu nennen du eingeübt hast. da bringst du dich durch, trocknend und kauend, an der glätte vorbei, hinter die sich deine risse und drähte zurückziehen mit jedem morgengrauen. die welt ist ein echo, ein zerklüfteter ton, der aus allem dir zuwinkt: schau, das bist du! und hier, das bist du!

dich kümmert das wenig, du atmest ihn ein, du klebst nach einem dir fremden muster die fetzen an die gebogene mauer, die du als binnenmeer zu nehmen gelernt hast, ohne zu fragen (und wer gäbe dir antwort?), wie deiner hand wasser so fest zu greifen gelingt. nur manchmal streift deinen blick ein glitzerndes schweigen und mit plötzlichem schauder, dem gedanken an kälte, drehst du dich landwärts und breitest dein tuch aus, bedeckst deinen baugrund (sand allenthalben) und wartest darauf, daß das licht vom himmel dich, deine schuppen, wieder erwärmt.






ming


und als ihr, unter meinem blick liegend nackt auf dem bett, ein feiner riß blutig quer im gesicht erschien, hatte ich wohl wieder einen satz gedacht, ihn aus der haut gerissen wie einen faden, dessen spur, dünnrote furche, jetzt sichtbar wurde. allerdings nicht für sie - man kann nicht sich selbst ins gesicht sehen, wie immer einem die spiegel sich auch zu erklären versuchen. sie schlug die augen auf und ihr blick zog mich abwärts und ich beugte mich langsam und küßte ihre wange - ihre haut war wie leinen, auf das jemand geweint hat.

da saß ich also mit dem rücken zur tür und zog die fäden aus meinem letzten segel, mit dem ich es so weit geschafft hatte, dachte ich mir. so ruderte mich mein alltag um die wunde herum: zum fischen hinausfahren, den fang einladen, das segel spannen, zum strandhaus zurück, das tuch aufs lager werfen, die nähte auftrennen, etwas essen, dann ein fangnetz knüpfen, das boot in die see schieben, zum fischen hinausfahren. und es schien mir immer wie ein erstes mal, denn in der salzigen luft zerfällt alles sehr schnell.






der bewohner


wie eine filmsequenz war die szene in den träumen seiner letzten tage immer wieder aufgetaucht: ihr ihm zugestreckter finger, auf dessen kuppe der hölzerne, etwa erbsengroße samen lag, dahinter unscharf ihr gesicht, opak, ein halbes lächeln. dann der finger zwischen seinen lippen, der sich leicht und langsam zurückzog, während der samen überraschend kühl auf seiner zunge lag. ihr aufmerksamer blick, als suchte sie nach anzeichen für etwas, und seine unsicherheit darüber, was von ihm erwartet wurde. also schluckte er absichtlich sichtbar den samen herunter und lächelte dann, wie der mann, der er war. wie ein kind, das einen cowboy spielt, fand sie.

die folgenden tage waren eine ruhe. es war frühling. sie gingen durch die straßen, kochten vitaminreich, schliefen miteinander auf seiner schmalen matratze. er hätte die szene wahrscheinlich vergessen, wäre sie nicht jede nacht mehrmals in seinen träumen aufgetaucht. schließlich war er sich nicht sicher, ob er sie vielleicht nicht von anfang an geträumt hatte. sie sprachen nicht davon.

aber in seiner kehle wuchs etwas heran, und nach einer woche begann er es zu spüren.

eine schwellung der mandeln, dachte er zuerst, vielleicht ein infekt, der nach einer halben woche wieder verschwinden würde. der untersuchende blick im badezimmer, die zunge herausgestreckt, zeigte auch rote erhebungen beidseitig des schlunds, wund in den atem hineinragend, unter dem das glas des spiegels beschlug. die erhöhte durchblutung erweckte den eindruck, sie würden im rhythmus des herzschlags sich dehnen und zusammenziehen, es war faszinierend. nach einer zeit der betrachtung zuckte er die achseln und griff zur zahnbürste: das würde sich schon geben.

es gab sich aber nicht im gang der tage. essen und trinken wurden zunehmend schwerer, da zunehmend schmerzhaft: angina, dachte er, ich muß mal zum arzt gehen, am besten gleich morgen, heut schaff ich es nicht mehr. sie machte ihm abends umschläge, mit warmen augen und einem feinen lächeln.






herbstlese


Das Glück ist sehr schmal. Es paßt durch das Leid.

obwohl es nicht einzelne sätze sind, oder überhaupt eine zitierbarkeit. die erzählungen im letzten drittel der "niedertracht der musik" von herbst schieben sich langsam von innen unter die haut, sie haben genau dieses fast aufreizend ruhig überwältigende, das der titel des bandes verspricht. es ist, als ob auch das buch sich kontinuierlich an sich selbst heranwände, oder die entfaltung von themen und bewegungsmustern in den ersten zwei teilen eine vorbereitung wäre auf den gang nach der "initiation", ein gehen, das immer näher an sein aus-sich-heraus-treten herankommt, indem es sich jetzt mit mir zusammenfaltet, schmal wird.






fehlt


es wird zunehmend unwichtiger, von welchem baum das laub gefallen ist, das gegen meine dehnung weht. da schütteln sich die kronen: jeder will ja, muß ja gegossen werden, seit der regen nicht mehr fällt. und ich schaue nach unten: oh, sieh nur, wurzeln, unter denen das land vorbeizieht. fast hätt ich's vergessen.

stiller ist es im wüstengebiet, man kann lange wandern hügelauf hügelab, ohne an wasser denken zu müssen. an einer stelle mauerwerk im sand, fingerbreit schatten, und eine stimme, die sagt: hier stand das haus des mannes, der häuser baute. es ist nicht mehr.






bsp


da stand er vor der weißwand, klein, mauerstaub zwischen den kuppen reibend, die lippen leicht geöffnet, als würde noch was rein wollen, federn, sand... andere dinge. erinnerungen, oder was man dafür hielt. groß war die weißwand, würde man sagen, gäbe es noch maße, dachte er, hier, auf der rückseite von nichts. sicher stand er da nicht, als er stand vor der weißwand, war ja kein boden, seit dem mauersprung stand er auf nichts, vielleicht fiel, nicht zu sagen ohne orte im blickfeld. schon glaubte er, einen schritt tun zu können. die lippen leicht geöffnet, als würde noch was raus wollen, wolken, fäden... eine form. stand er da auf nichts, wartend auf die hand, die ihn greifen würde, um den namen zu schreiben. staub zwischen den kuppen. reiben, ein wispern. ein weißes warten. reglos: die wand.


da stand er vor der weißwand klein: mauerstaub. kuppeln

zwischen lippen, leicht zu öffnen. etwas würde reiben, noch rein.

wollen federn sand? vielleicht andere dinge. erinnerungen oder was man dafür hielt.

groß war die weißwand, würde man sagen. gab es maße zu denken noch, hier:

rückseite von nichts. sicher stand er da nicht

als er stand. vor der weißwand war ja kein boden seit dem sprung der mauer,

da stand er auf nichts. vielleicht fiel zu sagen.

ohne worte im blickfeld glaubte er einen schritt weit an lippen -

leicht zu öffnen. etwas würde. wollen wolken fäden? vor der hand,

eine form, stand er da auf nichts, wartend. nach dem namen greifen

und schreiben: staub. zwischen kuppeln reibend ein wispern öffnen, ein weißes warten.

reglos die wand. reglos die wand.






erle


man kann dem vertrauen nicht trauen: zu sich kommt, wer die welt zum auge macht, sagst du, über die kreide gebeugt. ohne aufzuschauen: das licht flieht die sonne, das weißt du doch schon, was also legst dus dir immer wieder ins blickfeld hinein? und du hebst deine hand, streckst den finger und den funkelnden stein: plötzlich weiß deine haut, wie ein riß im raum, wohin gehen. alles flieht vor sich, sieht sich vor. und ich lache ein bißchen, zurückgeblieben. dann wische ich mit dem fuß durch die linien.

treib mich weiter mit gesenktem lid: löschpapierliebe.

seither liegt dein gehen im raum, im wispern aller dinge: verrat, verrat! jeder finger meiner hände deutet auf mich, aug- und fluchtpunkt, schlinge, die sich auslegt jeden tag von sonne zu sonne. mein mund sagt von den lippen: sie können nur lügen - können ja das wegsein nicht sehen. in jedem wort gräbt sich also die leere eine schlafstatt, träumt von deiner rückkehr aus der zeit vor der zeichnung: du. doch darf man dem vertrauen nicht trauen, weiß ich, wie man das vergessen nicht essen soll.






abs


du sprichst nur aus meinem mund wo du wohnst sag ich leise und du drehst dich vom fenster zu mir und lächelst (und dein rücken den ich liebe verschwindet) und du öffnest den mund und sagst ich? und ich dreh mich vom fenster zu dir und lächle und streck meine hand aus und sie macht ein paar schritte zum fenster schaut raus und er lächelt und öffnet den mund und du machst ein paar schritte und ich nehm meine hand und wir verlassen das zimmer, die wimpern gekreuzt.

nur der klang einer stimme bleibt hier, hört die wände sich hören in ihm.






wie werd ich meine romantik los


diese vermarktungsscheiße, anerkennungsmarkt, wo das ganze leben irgendwie zum curriculum vitae wird, inklusive bedeutungsvoller reisen zum berg athos auf rügen, alles wichtig und richtig und war mal die wahrheit über mich selbst und jetzt ist es käuflich und also nichts mehr wert und was ist mit mir? die versuchen, die liebe aus ihrer schwarzmarktexistenz ans op-licht der aktienmärkte zu zerren, unter die notaufnahmeleitung, irgendwie brauchen wir eine schattenökonomie, du und ich, um überleben zu können in dieser flutlichtanlage. und wie hoch ist da der preis, für den du dich setzt?






imfah


so wortvoll manchmal, daß die zeit mir nicht ausreicht, dabei kann ich nicht aus mehreren körpern sprechen, wie ich es müsste, ich find ja den ausgang aus meinem kaum, manchmal schieß ich als satz in den wänden umher und fang mich dann ein hinter einer fingerkuppe, die stirn von innen gegen das hautnetz gedrückt. dann zeigt ein finger auf dich, als wollt er was bedeuten, dabei will ich nur reinspringen in deine augen.

was tust du damit, wenn du die straßen entlangspülst, verkehrswege zählend, die linsen weit offen. du sammelst gesten, du sammelst worte, du sammelst, was du eine welt nennen willst, und was tust du mit dem, was sich in deiner netzhaut verfängt, suchst du einen kasten, 9x9 meter, in dem du teilkörper auf den boden spießen kannst, als wolltest du ordnen, um zu verstehen, zum stehen bringen, was sich nicht einordnen will in das raster, das du jemandem vorzuhalten dir beigebracht haben willst.

das sind die tage. sie gehen vorbei.

manchmal zappelt in der nacht dann ein echo neben dir auf dem laken, gibt antwort im dunkel, und du prüfst die namen aus deinen büchern, schreibst sie auf den anderen körper und wartest geduldig, ob er anfängt zu leuchten, ob ein tor sich öffnet wie in den alten geschichten. ihr tanzt alte lieder, die du als kind in tauben nächten unter der bettdecke abgeschrieben hast, mit der taschenlampe angelockt und in den kasten gesperrt. wer weiß, was sie bedeuten. du testest die töne. nicht mehr lange, flüsterst du später in den flacheren atem, nicht mehr lange, bis das herz sich zu schreiben bequemt, der tisch ist bereitet, die feder gespannt, die haut gegerbt schon und abgebügelt. wann werden wir’s nennen. wann werden wir’s sein. und silbe für silbe steigt das licht in mein fenster.

das sind die nächte. auch sie sind nicht lang.






unterwegs


auf der rückbank eines alten kombis nach frankfurt. es zieht kalt nach hinten, weil der fahrer das fenster die gesamte fahrt leicht offen läßt. raucht abwechselnd zigaretten und zigarillos, goldfield, kopien. ich lege mir die decke vom nachbarsitz über die knie. wenn ich in frankfurt ankomme, werde ich voller haare eines hundes sein, den ich nie gesehen habe.

er fährt zwei mal die woche nach wien. warum? ein breites lächeln, daß seine gelben zähne zeigt: er liebt die stadt. ich bin beeindruckt. mein gedämpfter enthusiasmus erstaunt ihn: aber die copacabana, die eiswelt... daß wiener beleidigt wären, wenn man im geschäft frage: wie teuer ist das, ist ihm nie aufgefallen.

ich versuche ihm zu erklären, was theater ist. nicht oper, nein. also musical? ich bin ratlos. ich sage: schiller. schiller und goethe. faust. er sagt: schiller, ob er sich das anschauen würde... ich weiß auch nicht und habe keine lust, gutes über schiller und goethe zu erfinden. als wir an einem plakat für romeo&julia als musical vorbeifahren, ärgere ich mich, nicht shakespeare gesagt zu haben.

unterwegs: sonne, schneesturm, sonne, schneesturm, stau. im radio eine gutgelaunte stimme: herr x. möge bitte dringend seine tochter oder seinen sohn anrufen.

auftauen im zug. eine frau legt ihr kind an die hundeleine. glücklicher empfang. weiß dann nicht, ob ich einfach zu müde bin, im bett in gießen mit a. zu schlafen, oder ob es daran liegt, daß ich an a. in wien denken muß. schlechtes gewissen.

viele träume. der deutlichste: eine kleinstadt, menschenleere straßen, wie in schwarzen molton verpackt. der geruch eines alten verbrechens. kleine grüppchen, deren wege sich kreuzen und überlappen. ratlos durch die straßen, es dämmert den ganzen tag. tränen auf ladentreppenstufen. ab und zu pflückt jemand ein langes stück schwarze gummileiste von einem blattlosen baum, verwirrt.






ix


eines tages fing es an zu regnen und es hörte nicht mehr auf.

naß nach hause gekommen, abgeschüttelt, zurück an die arbeit - ein haltegriff. abgerutscht sein, wieder und wieder, danebengegriffen haben, wütend gewesen sein, und dann noch irgendwelche anderen gefühle, die nicht so wichtig sind, sagt er.

dieser geschmack im mund von einer anderen jahreszeit: gras? spargel? butter? darauf warten, daß der zug durchs fenster fährt.

irgendwelche bilder aufzuhängen an der leine quer durch den raum, überkopfgroß. wozu trocknen, wozu naß machen, immer wieder? holzklammern, große festhalter.

zwischen zwei sätzen wird ihr mund plötzlich zur wunde: hier hat die stille einen schnitt gemacht, hier verläßt das eine von wievielen? leben langsam den körper. tupfen, klammern, nähen. bewahren für die nachwelt. rückfluß.

runtergekommen. die leere. als müßte ich dich von deinem körper abhobeln und mit den spänen die pfütze innen zuschütten. laub zu laub.

es hörte einfach nicht mehr auf.

der feind macht sich in meinem körper breit, er streckt seine fühler aus unter meiner haut, ich kann die scharniere klicken hören. bald ist es soweit. bald übernimmt er.

all das material, aus dem man geschichten spinnen könnte, wenn man sparsam wäre und die geduld hätte. aber wozu? hundert jahre schlaf? zu wenig.

die wahrheit ist, daß es immer aufhört zu regnen. es ist sogar so, daß es nie anfängt. trotzdem ist alles so naß. deswegen trocknet es nicht.

und dieses ständige geheule wegen einer nicht vorhandenen grippewelle. worum geht es da eigentlich? was wollen die? etwas anderes als geld? will irgend jemand etwas anderes als geld? jeder will etwas anderes als geld. aber wenn ich die wunde mund aufreiße, kommen da nur euro-zeichen raus.

was wir alle befürchtet haben, scheint sich langsam zu bestätigen: der feind wird nicht kommen. er ist schon da. er ist naß.






eue


was willst du von mir.

rauchzeichen.

jede erkenntnis selbsterkenntnis und ihre formulierung eine aussage über sprecher und ihre konzeption der welt. lernen also die nachhaltigste bewußtseinsverändernde droge. das hätte mir mal jemand in schulzeiten beibringen sollen.

theater ist doch eine wundervolle möglichkeit, meine eitelkeit, also mein anerkennungsbedürfnis, also meine einsamkeit als professionalität zu objektivieren. kunst als techniken der versinnlichung von ausleerungen.

und daß geschichte aus den spuren von sinnlichen erfahrungen der raumzeitlichen bewegung eines geschlossenen systems in sich selbst entsteht.

in einer männlichen welt muß alles über professionalität begründet werden, um nicht als eindringling aus dem weiblichen außen verdächtigt zu werden.

werd erwachsen.






rnzi


eine taubnesselpuppe ein schieferknochen ein momentanes wandbild ein schild aus sand ein stein schief gebrochen in der laubfessel hier hier im kiefer kalt liegt dein lied vom entladen und biegt den schaden auf in den wald...

das sind die beliebigkeiten die leeren ketten mit denen du dich an den boden zu schnüren versuchst die verschobenen bilder die zerfallenden erinnerungen vielleicht an etwas das du einmal für wahr hieltst. wo ist der weg aus dem wald? und wo ist der wald? der reisig deiner wimpern knirscht schon am morgen wenn du ihn ansteckst um dich noch einen tag durch die stadt zu brennen. nachts wächst er nach und da machst du sinn. eine weitere ration für einen weiteren brand. und ist es das dann? du fällst durch die waben.

dein vers bricht ab. du brichst. obwohl du nicht da bist bricht deine luft. du atmest die stadt ein: springende sätze. kein punkt an dem du dich einholen könntest. weiterstottern. dein vers bricht.






frage


ob er das denn wollen will: den schlaf auf die wände schleudern mit einem weiten offenen strich.

wie alt werden wollen? immer noch kind, weil ich zu oft die schuhe wechsle, ich wechsel die punkte von denen ich kippe,

und schütte die zeichen auf deine haut. alles vielleicht, was ich immer wollte war dich zu beschreiben. und wenn die frucht meines lebens nicht mehr werden sollte als der bogen eines haars von dir auf dem weiß, das du zurückläßt.

es kippt, es schleudert sich, es läßt eine lücke neben dem abseits zurück und da liegt er und schaut in den himmel. der wäre besser. der wäre ein weiter offener schlaf.






weiß und dann grau


noch nicht mal richtig angefangen und schon nichts mehr zu sagen. oder ist es nur, daß die worte aufgeben angesichts der übermacht des angesichts der körper? kübelweise haben sie sonne auf die wege gegossen, es ist so hell, daß nichts mehr zu sehen ist, also tasten wir uns vorwärts, reiben unsere häute an der luft, stumm.

noch nicht mal richtig angefangen, baby, und schon auf der flucht. dein handabdruck irgendwo unter meinem linken schulterblatt und gelinde furcht in den augenbrauen. vielleicht bist du über nacht zu einer übermacht geworden: dein körper, deine häute, dein angesicht. also reibe ich mich die wege abwärts, schlage die tasten über kreuz an, stumm.

noch mal richtig angefangen, nicht wahr, die töne aufgefangen und die sonnenkübel neben dem weg. jetzt liegen wir stumm an den rändern, die häute gefaltet: zeichen der flucht vor dem absprung. ob wir die kurve kriegen, ob uns die worte beibringen können, was es zu sagen gäbe: schalt dein display ein, ich brauch ein angesicht.






elektroden u. batterien inkl.


der meat-o-mat ist auf einem stabilen stift befestigt, der durch einen im sockel befindlichen motor ruckweise vor- und zurückbewegt wird. durch diese ruckelbewegung erreichen wir einerseits ein vor- und zurückschnellen der warm-weichen "lippen" im sogenannten "kopf" des meat-o-maten, andererseits resultiert aus der doppelten unwucht im sockel eine kreiselnde bewegung des gesamten apparats, die diesen eine stabile kurve in form einer 8 (bei der der radius r1 des oberen kreises sich zum radius r2 des unteren kreises verhält wie 1/2) auf dem boden beschreiben läßt - die "lippen" des meat-o-mats weisen dabei immer nach außen.

verschiedene infrarot-sensorische miniatur-hüllpanoramen mit wechselnden motiven können um die spur des meat-o-mats in betrieb aufgebaut werden, beachten sie dazu unsere sonderangebote "anatomie" und "aquarium".






ver


wenn ich mir gestatte zu tun was ich tun will informationen über meinen gemütszustand. heute gelassen gegen wände kartons u.ä. getreten und den umstehenden grünpflanzen in regelmäßigen intervallen quasi tänzerisch fünftel-blätter abgebissen und offbeat ausgespuckt. daraus geschlußfolgert daß ich aggressiv bin. mich gefühlt wie ein kühlelement.

du könntest mich in die warme grube deiner hände nehmen und halten und tragen und mich in der erde hinter dem haus verscharren wie einen haufen schwarzer knochen glassplitter geschmolzenes metall.

ich sitze in deinem gesicht und rauche die asche der letzten zwei jahre. du könntest mich in die warme grube nehmen.






abf


wache auf aus einem traum voller gänge und säle und höre das reiben von luft an haut in der stille des zimmers oder des morgens. auf dem kissen neben mir ein paar lange haare fremde zeichen die auf dem weiß des bezugs vergessen wurden. blinzle und hebe den kopf und sehe ihr profil auf dem bettrand sitzen. ihre haare wachsen braun den rücken hinunter und durch die beuge ihres arms ist die spitze einer brust in der morgensonne zu sehen wie eine erste oder letzte warnung.

sie schaut zum fenster und bewegt die rechte hand schnell vor den augen hin und her. wäre schon nachmittag säße sie im zug würden das die bäume entlang der gleise erledigen. ihre eltern nennen es "wischen" hat sie gesagt und tatsächlich tarnt sie es so wischt sich über schläfe brauen und nase häufiger als andere leute. es ist ein zeichen hat sie gesagt eine mögliche warnung so daß sie nicht wie andere einfach überrascht überrollt werden könne.

ich schaue zu. ihre hand wird schneller. höre das reiben von luft an haut. ihre hand wird schneller. ich schaue und warte.






viel


entweder spann ich unter oder spann ich über spann ich nie richtig den atem auf und mit klammern die worte drangehängt zieht sich ein satz aus dem mund oder hab ich ihn mir aus der nase gezogen. ich rede vom reden es geht scheints nichts anderes mehr oder es gibt keine themen über die zu reden sich lohnte.

oder was läßt sich schon sagen über etwas jenseits der sprache das nicht beschnitten würde von den lauten und linien ich bin ja kein tier ich kann aufrecht gehen ich bin in control kontrolliert von

was ist das.

traurig vielleicht weil alles so unganz scheint sobald es meine haut durchschritten hat. die membran. meine trennwand resonanzkörpergrenze. die zweite haut diese hirnhaut da oben das teufelswerkzeug das namen verteilt und dir ein preisschild an die vorderseite klebt und: "verkauft". du hure. schaff dich mal ran an mich und perforier mich denn das könnt ich jetzt brauchen wenn du dann wieder gehst oder vielleicht

was ist das.

die redemaschine. es läuft und läuft und wenn es mal stoppt wächst ja der schrecken ins bodenlose also machen wir weiter. nicht runterschauen. wir kommen schon rüber. von staub zu staub und rauch zu rauch,

leise fällt dir die asche von der zigarette, während du still sitzt, deinen blick irgendwo hinter meiner schulter festgehakt. vorsichtig gieße ich tee nach. zwischen uns: der tisch. da kann man nichts machen.






lösung


am morgen erwachte er und wußte was zu tun war. die decke des zimmers war weiß. er schlug sie beiseite und schwang die beine. er wartete kurz auf dem bettrand sitzend. seine linke hand strich noch die schlafhose glatt bevor er aufstand. er ging aus dem zimmer.

er wusch sein gesicht. er putzte die zähne. zog das nachtzeug aus zog das tagzeug an. in der küche sitzend strich er ein paar krümel vom tisch bevor seine rechte hand das messer nahm. er aß. im fenster zog noch der himmel von gestern vorbei.

im flur stand ein schrank den er öffnete. er nahm stiefel und mantel und rute heraus und einen kleinen eimer aus metall. ging in die küche und füllte ihn halb mit kaltem wasser. ging zurück in den flur. er gab allem zeug den richtigen ort an seinem körper. dann verließ er die wohnung. seine rechte trug den eimer seine linke die rute. er ging aus dem haus.

auf dem weg kaufte er noch drei tote barsche.






auf abstand


während die geschichte zwischen unseren sich parallel die straße hinauf bewegenden körpern ordentlicher wurde und gewisse lippen in vorerst - freilich nur metaphorisch - unerreichbare ferne rückten dachte ich die ganze zeit daß mein momentanes lächeln doch eigentlich "tapfer" wäre und mich doch also anstrengen müßte und weshalb es das - mich anstrengen - nicht täte und was das - daß es das nicht tat - dann bedeutete.

man sieht wie verwickelt die ganze angelegenheit ist.






thront auf dem stein und schaut auf das fallen


seltsam, wie meine erinnerung sich weigert, geschrieben zu werden, läßt sich nicht in worte fassen. sind nur fetzen, risse im film, die sich immer wiederholen, oder oft auch: räume, körper in räumen, konstellationen. reize. ein brocken stimme, ein brocken luft, ein brocken brust als die arme das shirt über den kopf ziehen, ein zittern in einem seltsam fremden gesicht kurz vor dem zerfallen, die haare auf einem altmänner-handrücken über einem lederkoffer, der geruch von tabac und ein kratzen an der wange und im rücken die spur durch den saal zu diesem duft. splitter. keine geschichte. keine geschichten, die erzählt werden könnten.

keine menschen, was immer das auch sein soll, ein "mensch". viel sinn, viele sinne. und vielleicht ist es das schon: daß es sinn und sinne gibt und ein gedächtnis. nur den sinn von geschichten habe ich immer noch nicht begriffen, welchen körper die nachstellen, wo deren haut ist. ein körper hat ja nicht anfang noch ende, er atmet durch jede einzelne pore, ist durchlöchert und innen sehr dunkel. so viele geschichten so mörderisch geschrieben, ein blick, der einen körper abtastet und ihn ordentlich zu machen versucht, zerscheibt, hierarchisiert, ihm den atem nimmt. wie schau ich einen körper an?

sicher fahre ich linien, aber kreisende linien, schnell und langsam, komm immer wieder zu orten zurück, als legte ich eine landkarte an auf dem land, direkt raufgemalt, und die deckt es dann zu. dann seh ich nur noch karte, wo ich doch unter die haut schauen wollte, durch sie hindurch, bis auf den moment, wo eine zelle sich teilt und zu zweien wird.

rückwärts, rückwärts, zwei zu eins machen, sich daran wundstoßen, dich zerschlitzen, in dir atmen, deine haut anziehen, die wände mit deinen kuppen berühren, sehn was du siehst, dich lieben, dich lieben - ist es das? dich auslöschen, dich zu mir machen. mich zu dir machen, dich in mich einzwingen, diese grausamkeit, diese wut, diese sehnsucht danach.

alles vermischt sich, schillert wie aas, körper, die immer schon tot sind, verwesend, aus sich heraus ständig leben gebären, das sich von ihnen abstößt in die leere hinein.






wirtshausszene


ich von gestern und ich von morgen sitzen am tisch und trinken bier. ich von heute holt salzstangen.

ich von gestern: "hier ist der kiesel." darauf ich von morgen: "hier ist es naß."

pause.

ich von heute (aus dem off): "spannt doch das seil durch die knochen ihr scheißer könnt mich nicht machen. hier ist das herz."

vielleicht ist es das, wenn die möwen nicht mehr fliegen, jede bewegung drückt gegen die schale. ein ton tritt nach außen, dann tritt er zurück. tropfen um tropfen. hier ist das salz.






s da t


die blicke gespielt einige stunden die beiläufigkeiten im passieren. hinter ihr die räume verlassen. vom stein auf das dunkle gras getreten die spuren unter dem baum gekreuzt. sie sagt "wer kommt da" sie sagt immer sachen wenn wir uns begegnen seltsam leere notwendigkeiten wie jemand milch in den kaffee gießt. wir drehen kreise das gravitationsspiel. dann falten sich unsere körper zusammen. der geruch ihres haars die haut warm und fest das nasse gras nacht ein netz aus regen unter den füßen. beginn einer drehung in einem schwarzbraunen streifen.

und zeit vergeht. tage und wochen. bälle routinen kennenlernspiele versuche die regeln mit den kuppen zu lesen. ihr hals ihr kiefer der blinde fleck auf der wange gerüche. das hautnetz und richtige knochen und sehnen. vor und zurück. was ist das. was ist. tage und wochen. regelmaße. und immer das lächeln der gravitation.

was kümmert mich mehr ist das ihr name oder wie sie ihn spielt wie sie spielt auf der netzhaut den hellbraunen hals in die leere gereckt.






supersilent 6-2


ach die flächen du weites weiß. ich war ein schwarzer acker vor stunden - dein gesicht gräbt mich um. weil der regen nicht fällt wie er soll weil er fällt wie er soll weil ich nicht will wie der regen will daß ich soll oder weiß ich denn was dein regen kann. es ist so mühsam ich bin so mühsam du bist so mühsam ich weiß nicht was.

keine lust zu streichen den weißstift zu schwingen. wie mich die farben gerufen haben - ich hab überlebt. ich hab mich ergeben. der schnee hat sich flach auf die brocken gelegt ich bin hier die vorschau auf den winter dies jahr 0° C und die zeit auf den wimpern. willkühl willkühl ich red nur vom mischen ich mische die töne und werde nicht bunter aus schwarz und aus weiß wird nichts wachsen als du und ich in einem grauen raum.

jetzt zerlegt es sich wieder. jetzt kommt wieder regen. graue wolken und graue schuppen. ich geh in die puppen. jetzt zerlegt es sich wieder. ich geh in die puppen. ich geh in die puppen.






fire and forget


eigentlich will nur das schreiben geschrieben werden. ich hebe die finger und frage "was" und mein spiegel übernimmt die kontrolle. wenn mein spiegel die kontrolle übernimmt passiert nichts mehr. mein spiegel würde gerne alles können aber er ist nun einmal nur nichts der hauch eines rumpfs. kann nicht hören nicht sehen nicht reden usw. der scheiß. denken sowieso nicht weil "sinn" von den sinnen kommt. mein spiegel sagt "reflektieren" und tut so als ob das was mit denken zu tun hätte. reflektieren hat nichts mit irgendwas zu tun.

mein spiegel und ich wir leben in einer sehr reflektierten lebensgemeinschaft.

eigentlich will nur das schreiben geschrieben werden. ich hebe die finger und senke sie wieder. ich tanze auf den buchstaben. ich bin ein sehr dilettantischer tänzer ich tanze etwas besser auf papier. das eigentümliche am tanzen ist ja eigentlich. aber eigentlich. will nur das tanzen getanzt werden.

eigentlich will nur das lieben geliebt werden. mein spiegel sagt: du brauchst einen spiegel nein du brauchst zwei geh los und versorg dich. wenn man zwei spiegel gegenüberstellt passiert nichts wenn nichts dazwischenkommt. deine haut ist verspiegelt kannst du da durchgucken von innen du bist so blickdicht scheiße ich glaub ich will da rein.

die ganzen kabinettstückchen sinnscheibchen zentrifugalen geschichten die sich in bröckchen durch die mattscheibe deiner augen schleudern ich würde dien fleisch gerne in streifen zum trocknen an die wand hängen und dich dann neu zusammenflechten und mich totärgern darüber das es nicht mehr so schön ist wie deine festigkeit mich anspitzt. ich strecke einen arm nach links ich strecke einen arm nach rechts ich ziehe und siehst du die spaltung vor meiner wirbelsäule das bin also ich sagt mein spiegel. über scherben reden. über scherben reden. eigentlich will nur das töten getötet werden.






und der name


eine zuckerholzpuppe. haare und sprossen. brauen unter der daumenkuppe.

sehr dicht. keine ahnung, wie die bewegung im innern verläuft. dabei wüßt ich es gerne. ich kann dieses gesicht in zwei jahren sehen, in einem vielleicht, wenn der großteil jugend ausgelaufen ist. ich wär gern dabei. aber jedes wort rutscht ab. jedes wort fällt runter, bleibt liegen. jedes wort löst sich langsam auf. reden ist das schwerste.

wir retten uns in fingerübungen und lippenkontakt. kein kuß kann je halten, was er verspricht. zwei stunden sind die grenze, die zeit will nicht weggehen. ich glaube, es wird nicht. kein guter gedanke.

die nacht läuft davon, 2 mg licht auf der zunge: gleich lieg ich und guck mich von innen an. einige gänge noch in den eigenen wänden. ja, richtig. die zähne, die zunge, die lippen. mein schatten nur schaut als würd ein andrer ihm fehlen.






retro


das boot war ein kleines bauchiges ding mit rund gewölbten spanten aus holz oder knochen, die sich oben ein wenig einwärts bogen, bespannt mit dem leder eines ihm unbekannten tiers. es steuerte flußaufwärts, und von seiner position hatte er einen guten blick auf den dichten wald, vor dem das glitzern des wassers in der immer nächsten biegung verschwand.

sein begleiter saß im heck, außerhalb seines sichtfelds, und lenkte das gefährt sicher zwischen den untiefen hindurch - oder zumindest redete er sich das ein, um nicht restlos zu verzweifeln in der mißlichen lage, in der er sich befand. das wasser kam in ungleichmäßigen wellen, schlug gegen die wände und sprang tropfenweise himmelwärts. wenn der wind sehr stark war oder die luft zwischen den beiden gestalten im boot sehr dünn, drang ein wenig davon durch die poren des leders und lief innen abwärts, floß langsam zur bilge und verdunstete dort... er fühlte seine kühle im nacken. manchmal hatte schien es, wir würden sie im fahrwasser eines anderen bootes stromaufwärts steuern, das sich immer genau so weit hinter der nächsten biegung befand, daß man es nicht sehen konnte. aber eigentlich war das nicht möglich.

er schloß seine augen gegen die sonne. obwohl er nicht sagen konnte, wie lange sie schon unterwegs waren, war es klar, daß der größte teil der reise noch vor ihnen lag, wenn auch ihr ziel verborgen blieb - sein rudermann schwieg beharrlich. nichtsdestotrotz setzte er sich zurecht, soweit es die fesseln erlaubten, räusperte sich vernehmlich und machte einen neuen versuch.






ausgrabungen


es ist wohl auch zeit, ins brachland zu tauchen - wenn denn zeit dafür wäre! ich stolpere hier von feld zu feld, in jedem drehe ich zweimal die hacke, dann bläst mich der wind wieder über den ginster. ich kann ihm nur folgen.

das alte brachland, die scherbenfelder, wo ich vielleicht einen schädel finde unter einer lehmigen scholle... den summenden schädel, ein steinernes abbild, und zwischen den spitzen der finger verreib ich, es gar nicht bemerkend, die alte erde, aus der ich mich rausgewühlt habe zuvor.

in der schale die asche der spiegelflamme. gräten, schuppen, leise linien, die über den sand in mein auge wehen. da ist ein ton. eine saite. lehm. ein singender körper, der (sich hier auf dem feld um die senkrechte achse drehend) halblaut räsoniert. erzähl mir von mir. erzähl mir eine brachlandgeschichte.






es gibt wichtigeres, es gibt wichtigeres


als übers reden vom reden zu reden, dem affen rückenwärts zucker zu geben, sich aufzuregen, sich nicht aufzuregen, das buch auf den richtigen stapel zu legen, es gibt wichtigeres, es gibt ausnahmefälle, es gibt tiefe bälle und betriebsunfälle, du läufst und läufst und kommst nicht von der stelle, dabei bist du doch helle, nicht wahr? keine frage, es gibt wichtigeres als freie tage, vielleicht wärst du in der lage schräg deinen magen gegen den spiegel zu halten, die falten, die nägel, die ziegel, ich sage: die ganzen alten geschichten zu spalten und die splitter, die deinen charakter gestalten, gegen ein bißchen gefühl einzutauschen. die mühlen klappern, die bäche rauschen. die lieder sind zwischen die stühle gefallen. es gibt wichtigeres, als namen zu lallen. die spur deines namens umreißt meine leere, dann reißt sie sie um. wie hieß gleich mein begehren? nur namen und wie sie die scheiße vermehren. ich tu es schon wieder: ich stapel die staben. du schlägst mich auf. also was willst du haben? es gibt wichtigeres als solche fragen.






aber die sonne schien die ganze zeit


geträumt von new york, das wie ein traum war, durch den ich mit einer freundin ging und vehement erklärte, künstler würde vor allem auszeichnen, daß sie nichts täten, und es war weit hörbar in diesem sommerfarben-new-york. da hinterließ uns der dahlmann einen kommentar in iiji, in dem er uns erinnerte an etwas, daß er uns vor einem jahr geschrieben hatte, daß das problem irgendwie aufklären sollte, und ich kann mich nicht mehr an den wortlaut erinnern, weil jede vielleicht wichtige erkenntnis immer das erste ist, was ich nach dem aufwachen vergesse, ich weiß nur noch, daß er sich mit einem brückenpfeiler (oder einem hochhaus) assoziiert hatte. ich antwortete ihm wiederum mit einem kommentar, der sich blau auf löschpapier schrieb mit einer alten metallfeder, und ich war begeistert darüber, daß der dahlmann löschpapier in seinen kommentaren hatte für altmodische leute wie mich, die über kunst diskutieren zu müssen glauben, auch wenn das löschpapier natürlich nicht zum schreiben, sondern zum löschen gedacht war, und die tinte verlief, so daß man kaum noch etwas lesen konnte und das ganze schon sehr künstlerisch aussah. und dann war da eine feier auf der straße vor einer zweistöckigen villa, in brasilien vielleicht, jeden abend wurde wieder happy birthday gesungen. am freitag rief die gesellschaft plötzlich laut FICKEN und direkt danach drehten sich alle männer mit einer entschuldigung für den unflätigen ausdruck zu einer frau um, alle zu der gleichen. ich setzte mich mit dem rücken an die seite einer anderen und ließ mir haarsträhnen über den kopf wehen. das alles war eine gut erzählte kleine geschichte in lebendiger prosa, aber weil ich nicht der dahlmann bin, in dessen sprache ich sie träumte, habe ich sie nicht so aufschreiben können, weil jede vielleicht gute sprache immer das erste ist, was ich nach dem aufwachen vergesse.






zum beispiel


wie du mich anfaßt beim reden, ohne es zu merken. und ich dreh fast durch, ohne es mir anmerken zu lassen.

deine kreativität beim finden von orten, an denen du die sachen liegen lassen kannst, die du dir von mir geborgt hast. über die ich dann tage später stolpere und schon wieder völlig aus der rolle falle.

diese momente, in denen ich dich ansehe und denke, jetzt wärst du gerade wirklich wahnsinnig geworden - und das ist kein scherz -, und nicht weiß, ob ich mich darüber freuen oder angst haben soll.

aber der geruch deines schweißes nach einem langen tag.

häßliche hosen, du hast so wahnsinnig häßliche hosen, und kannst überhaupt so scheiße aussehen, und daß ich das liebe, wie scheiße du aussehen kannst.

deine lippen, die manchmal so unnatürlich prall aussehen, daß ich angst habe, sie könnten plötzlich aufplatzen und du könntest auslaufen oder sie würden anfangen davonzukriechen wie zwei würmer. und seitdem ich das einmal dachte, habe ich das bedürfnis, jeden wurm zu küssen, den ich sehe.

daß du mit der erde bebst, und heiß und kalt wirst, und ständig erstaunt bist darüber, wie du dich fühlst. daß du dich fühlst.

daß du nie ans telefon gehst, sondern zuhörst, wie die leute auf den anrufbeantworter sprechen, und sie dann nicht zurückrufst. und manchmal ist längere zeit besetzt bei dir und ich fühle ein stechen.

und daß ich manchmal das gefühl habe, ich würde dich mir nur einbilden. und das macht die tatsache, daß irgendwie nur du mich von dir ablenken kannst, so viel beunruhigender.

aber der geruch deines schweißes nach einem langen tag.






hitzespiegel


kann ja schon sein, daß es nicht kümmert, was ich erzähle, daß das nicht zählt. will auch so oft nur den körper ablegen, neben einen anderen schatten. liegenbleiben wie ohne sprit in der wüste und nicht nachdenken müssen, ob ich halluziniere, einfach liegen und wert produzieren: zehn finger, zwei augen, nasenrücken, lippenbogen - ein körper im körper am körper im sand.

kann ja auch schön sein, daß ich mich krümme. was ich erzähle - daß das nicht zählt - will ja auch oft nur den körper ablegen, statt neben einem andern zu liegen. einer wüste, in der man dann bleiben müßte, halluzinierend. ich kann das nicht denken: zehn finger, zwei augen, nase am rücken, die rippen gebogen: was die da produzieren, ist doch nur sand und sand und sand.






holler


mein letzter brief ist schon ziemlich lang her, ich bin gar nicht sicher, ob ich noch weiß, wie das geht: etwas schreiben, das einer dann liest, ein bestimmter, ein jemand - eine spur im gedächtnis hier, und dort zwei windgraue augen. das astwerk schütteln. ich will es versuchen.

hm. was soll ich dir sagen? du weißt ja schon alles. ich könnte versuchen, die luft zu beschreiben, und wie sie danach schmeckt, daß du hier fehlst: wie dein wegsein mir ständig den brustpanzer dehnt, den herzbrutkasten, die federmaschine, das blaumeisensüße zittern der wände

meiner milchglasfassade. die schmilzt aus den schnäbeln der gesten im graubild, körner von gestern, irgendwie fließ ich wohl über die kante. das ist auch ganz gut so. nur: du kannst es nicht brauchen. und nichts anderes brütet sich in meinen händen, nicht im moment: da wächst nur holunder.

da weht nur ein sommer über den alten salzrand der lieder. unter der rinde bewegt sich dein flügel: fremd und blaugrau. also was soll ich schreiben? ich hab ja nur sehnsucht. und die pickt den sinn aus den blüten und beeren, die ich hier lese. hier: ohne dich.






rücken


der herbst schabt am fenster, als würde er dich holen wollen. du sitzt auf der kante deines bettes und überlegst. kaffee. du mußt dringend kaffee kaufen, denkst du. was warmes zum trinken. ein buch lesen und was warmes trinken, das wäre jetzt genau das richtige. kann man ja sowieso nichts vernünftiges anstellen, bei dem wetter. ein buch. wann hast du eigentlich das letzte mal ein buch gelesen? kannst du dich gar nicht erinnern. muß jedenfalls schon ganz schön lange her sein. letzten winter vielleicht. dann wird es allerhöchste zeit, mal wieder was zu lesen. aber bevor du keinen kaffee hast, wird das definitiv nichts.

über dir läuft jemand. holzparkett, da hört man jeden schritt. du fragst dich immer, was die leute wohl machen, wenn du sie herumlaufen hörst. die laufen ja sicher nicht einfach so, um des laufens willen, die haben bestimmt einen guten grund. aber was wäre ein guter grund, um so verdammt viel in der eigenen wohnung herumzulaufen? stundenlang manchmal. du hörst dann zu und stellst dir vor, wie das zimmer über dir wohl möbliert ist, entwirfst anhand der wege, die du am geräusch der schritte nachverfolgen kannst, und der punkte, an denen dein obermieter - oder vielleicht ist es eine frau? dir fällt auf, daß du immer noch keine ahnung hast, wer eigentlich über dir wohnt - verharrt, sich hinsetzt vielleicht oder etwas aus einem regal nimmt, im kopf einen plan der einrichtung. aber jetzt ist er - oder sie - anscheinend gerade aus dem raum gegangen.

wenn du ein buch lesen wolltest, müßtest du natürlich erst einmal eins kaufen. du stellst dir vor, wie du im laden stehst, völlig orientierungslos. vielleicht wäre eine verkäuferin da, der du leid tätest und die dich fragen würde, ob sie dir helfen könne. vielleicht würdest du sie dankbar anlächeln, und sie würde zurücklächeln und ihr würdet einen kurzen moment nur dastehen, inmitten der regale voller bücher, und euch anlächeln, und dann würde sie zu einem der regale gehen und ein unscheinbares taschenbuch herausziehen und sagen: das hier ist genau das, was sie brauchen.

im moment jedenfalls brauchst du kaffee, denkst du dir. oder vielleicht tee. irgendwas warmes zum trinken.

draußen hat es wieder angefangen zu regnen. so lange es regnet, wirst du bestimmt nicht rausgehen, so viel ist klar. du sitzt auf der kante deines bettes, wo du schon seit heute morgen sitzt, und es ist still in deinem zimmer. du hast seit acht tagen die wohnung nicht verlassen, der herbst schabt am fenster, und du wartest darauf, daß ich mich endlich bewege.






rat


meine angst ist groß. größer als ich. vielleicht ist sie zweieinhalb meter groß; ich bin nicht gut im schätzen von maßen. sie ist auch breiter als ich - wenn sie vor mir steht, sehe ich fast nichts mehr. aber meistens läuft sie schräg hinter mir, ein gebückter schatten im augenwinkel.

meine angst hat keine haare und eine sehr dunkle, glatte haut, die mich an reptilien denken läßt. ihre hand ist kühl und trocken und hat keine falten. die legt sie mir oft auf den mund, oder vor die augen, oder sie hält mich mit einem druck auf die brust zurück, der keinen widerspruch duldet: "nein, hier gehst du nicht weiter". die stimme meiner angst ist ruhig und fest, aber tonlos, so als würde sie laut flüstern.

meine angst hat kein gesicht. sie ist ein einziges großes auge aus kühler dunkler haut.

ich liege auf dem bett, die vorhänge sind zugezogen. es ist still. ich atme tief ein und aus und schließe die augen und stelle mir meine angst vor. (meine angst hat keinen geruch.) stelle mir vor, sie würde auf dem drehstuhl neben dem bett sitzen, mit übereinandergeschlagenen beinen. (meine angst atmet nicht.) und mich anschauen.

nach einer weile spüre ich an meiner linken wange, wie ich beobachtet werde. ich öffne die augen nicht, und meine stimme hat einen metallischen klang.

"hallo angst," sage ich, "schön, daß du da bist. wir müssen miteinander reden."






brief


... etwas von mir fehlt mir an mir, und ich weiß nicht, ob das du bist oder ich es nur deutlicher merke, daß da schon immer ein loch war in meinem system, jetzt, wo du gerade nicht mehr und noch nicht da bist.

aber ich esse naturreis, den ich aus dem kochbeutel befreit habe, und uncle ben's fix für fleischpfanne chinesisch süß sauer extra fruchtig ohne fleisch, was ich schon mindestens ein jahr nicht mehr getan habe, und die sonne scheint noch einmal ganz warm auf meine ausgetrocknete haut.






unglatt


ach, seit zwei tagen steckt mir ein splitter abend wie ein haken unterm lid, so festgezurrt, als wärst das du in den ecken, wenn ich schon wieder stehe und nicht weiß, was ich denn tun soll, und das gefühl habe, jemand würde mit vielen harten erbsen werfen auf meinen leerlaufenden herzprojektor.






auf die gleise


gestern erwischt worden, weil ich weder konsequent genug war, nicht einfach in den nächsten wagen einzusteigen, noch danach wirklich wegzurennen. mir sitzt immer noch zu viel bequemlichkeit in den knochen. seitdem unruhe im brustkorb. aggression in alle richtungen, rachetagträume. irrational, bin ja selbst schuld, aber jedesmal, wenn mir institutionelle gewalt zugefügt wird, wirft mich das vollkommen aus der bahn. wenn ich mal bomben zünden sollte, dann deswegen.






mauerpark


sie hat sich aufgesetzt, den kopf mir halb zugewandt. wir reden schon zu lange, denke ich, noch ganz zurückgelehnt in die morgensonne zwischen den birken. schon viel zu lange dafür, daß wir uns schon im keller, als die stille nach der musik das ende der nacht anzeigte, darauf geeinigt hatten, den morgen mit küssen zu besiegeln. viel zu lange dafür, daß ich schon seit drei minuten ihren arm streichle, mit dem sie sich im kurzen, gelben gras aufstützt, mit den fingerkuppen linien auf und ab zeichne, gelegentlich eine neugierige ameise herunterschnippe, während ich spreche. es spielt ja sowieso keine rolle, wovon wir reden. sie bemüht sich, ihre oberlippe ordungsgemäß geschürzt zu lassen und das richtige zeitmaß unserer blickkontakte während der unterhaltung einzuhalten. den lidstrich hat der schweiß einen halben zentimeter aus dem augenwinkel gezogen. ich spreche und ziehe linien auf und ab. die härchen auf ihrem arm leuchten golden in der sonne. endlich läßt sie sich von meiner hand überzeugen und beginnt, mit einem trockenen grashalm kurven auf meinen bauch zu malen. nach einer kurzen weile setze ich mich auf.






aber


vielleicht ist es wahr und du hast keine angst du trittst in die spur hast den finger am zeiger du legst deine wange an die reste des abends und unter dem rascheln und rauschen der häute liegt wie ein lächelnder haken die spur deines fußes durch die schwankenden halme meines gesichtsfeldes das kann ja schon sein ich wills nicht bestreiten es wäre sehr schön und vielleicht ist es wahr.






night out


an die frau, die ich gestern nacht von der tanzfläche aus so lange anschaute, bis sie herunter kam und tanzte, deren haare so gut rochen, deren lächeln und rücken so an meinen venen zogen, deren hände und schultern und hüfte und kreuz und bauch und hintern und schenkel so warm unter meinen handflächen dahinzogen, die, von mir vor die wahl gestellt, sich nicht unterhalten und nicht küssen wollte, sondern tanzen, die aber so wählerisch mit der musik war, die mir ein bier kaufte, die tanzte, als sollte die ganze welt sich auf ihren körper legen, als fehlte ihr eine weitere haut zu ihren vielen, die dabei die ganze zeit die augen geschlossen hielt, durch die ein sandkorn fremdheit hätte fallen können, die sich als plastik entwarf und ihre gunst mit der verzögerung ihres entziehens verteilte, die schließlich meinte: nein, im moment wolle sie niemanden kennenlernen, die ich vergaß zu fragen, wovor sie denn die angst hätte, die sie so gut zu verstecken versuchte. hallo. falls du das liest. ich hoffe, du bereust es.






ablauf


ich wache auf und bin müde: so geht das schon seit tagen. ich stehe nur auf, um das fenster gegen den tageslärm zu schließen, und liege dann bis nachmittags im bett und starre an die decke.

irgendwann stehe ich auf und dusche eine halbe stunde und ziehe mich an. nur, um etwas zu tun. essen will ich nichts, trinken tue ich nur aus vernunft. dann setze ich mich auf den teppich, in die mitte des zimmers, schaue auf die wand oder den schrank oder aus dem fenster in den himmel, der bösartig blau über dem tag hängt. ich schalte das radio ein, um gesellschaft zu haben, ich schalte es ab, ich schalte es wieder an.

ich habe die wohnungstür abgeschlossen und die klingel abgestellt, ich habe das telefon mit integriertem faxgerät ins tiefkühlfach gelegt, ich habe die fernbedienungen von fernseher, videorecorder und dvd-player weggeworfen, ich habe computer und laptop mit einem passwort belegt, daß ich sofort vergessen habe. ich habe mich aus der welt ausgeloggt. an das radio hatte ich nicht gedacht, weil ich radio hasse, weil ich nie radio höre.

ich habe fieber, sagt das thermometer, und im radio sagt jemand "menschen wie du und ich" und ich lache, weil dieser satz so absurd klingt, weil diese wörter so sinnlos klingen, denn es gibt niemanden, der so wäre wie ich, und ganz bestimmt gibt es keinen, der so ist wie du, und ich werde wahnsinnig beim gedanken daran, daß du einen anderen menschen so anschauen könntest, wie du mich angeschaut hast, und dinge sagen, die einmal den raum gesprengt haben, in dem wir lagen.

ich stelle mir vor, wie wir miteinander reden, ich stelle mir vor, wie wir miteinander schlafen, ich stelle mir vor, wie wir uns küssen, ich stelle mir vor, wie wir uns schlagen. ich stelle mir vor, wie du lachst, wie du gehst, wie du die hände ballst, wenn dir etwas nicht paßt, wie du dir auf die lippen beißt, wenn du dich konzentrierst, wie du daliegst, wenn du wieder einmal vor mir eingeschlafen bist. ich stelle mir den geruch deiner haare vor, den geruch deines schweißes, den geruch des atems aus deiner nase nach einem langen tag, den geruch deiner möse, den geruch deiner füße, ich stelle mir die geruchsspur vor, die alles das und der rest von dir auf dem bett hinterlassen.

dann stelle ich mir alle deine freunde vor, bei denen du jetzt möglicherweise bist.

abends sitze ich immer noch da, im schneidersitz, die hände im schoß, den kopf etwas nach links geneigt, ich sitze auf dem boden und sehe durch die wand und höre den geräuschen der stadt vor meinem fenster zu und denke nichts mehr, nur noch, daß ich nichts mehr denke, und plötzlich ist deine stimme da, schräg hinter meiner rechten schulter, und sagt nur ein wort, klar und laut. ich fahre auf und herum, und natürlich ist da niemand, obwohl deine stimme sich so körperlich anhörte.

erst als ich auf das gefühl auf meinen armen schaue, merke ich, daß es zu schneien begonnen hat.






blätter


es wird immer leichter, dinge nicht zu tun. vielleicht läßt die angst nach, oder die sehnsucht. oder vielleicht ist sehnsucht auch nur eine art von angst.

ich schließe die tür zu meiner neuen gewohnheit auf, schalte das licht ein, werfe den schlüssel links auf das fensterbrett, wie ich es immer tue, trete in mein zimmer und bin überrascht.

vielleicht ist es die sehnsucht nach der angst, die den fuß kurz festhält den einen oder anderen moment, immer in der hoffnung, die trägheit könnte mir die nase auf dem weg blutig schlagen.

vom türrahmen aus: ein ungewohnter anblick. mein körper hockt auf dem teppich, vor einer kerze, eine schere in der hand, ein loch im rücken, vor sich die zerschnittenen teile des abends.

vielleicht läßt aber auch die sucht nach, oder das suchen. es wird immer leichter, dinge nicht zu tun, die ich mir aus dem mark geschnitten habe den einen oder anderen moment.






zweitens


aufgetaucht, es war schon den himmel heraufgezogen, eine andere flosse an meinem spiegel. und reicht über mich. auftauchen. das wasser wird warm. von oben: drei körper schlagen das wasser und streifen sich, wie die kleinen fliegen sich immmer in der raummitte sammeln, sich immer wieder abstoßend voneinander an dem punkt, der sie anzieht. wir zeichnen ein weltbild ins wasser, das verdampft: lippen und schuppen.






erstens


schwimmen gegangen, da zog es schon den himmel herauf. himmelwärts gedreht, zwischen zwei fischen, das glitzern von bäuchen in den augenwinkeln. wie soll ich mich wenden? dann schwimmen gegangen mit einem neuen fisch, die fingerspitzen leicht gegen die spiegelgrenze gelegt. wie groß ist der abstand, in dem nur noch eine schicht entfernung verdampft. wie klein ist der, der die zeit läßt dafür. schwimmen. schuppen und das stumme reden mit dem öffnen und schließen der lippen: fische. in meinem rücken dreht sich ein anderer zur seite.






bruch-stück


ER: ich meine, ich kenn das ja alles von den filmen und den lieder und, naja, den büchern und so weiter. jeder kennt das ja, man wird doch von allen seiten geradezu bombardiert. aber ich frage mich in der letzten zeit mehr und mehr, ob, das klingt jetzt vielleicht dumm, aber... ob es das wirklich gibt. im "richtigen leben", wie man so sagt, meine ich. geredet wird da ja ständig von, aber wer hier hat es denn tatsächlich mal erlebt? haben sie das schon mal gehabt, dieses sterbenwollen und sichverzehren und sichauflösen und was weiß ich nicht alles? ich meine, haben sie persönlich das schon mal gefühlt?






ist da


ein mixtape bekommen, seit langem mal wieder. und jedes lied zieht einen anderen kreis um einen bestimmten abend vor einem halben jahr. lauter refrains, die einen kern umstellen, den es vielleicht gab oder auch nicht - wer kann das schon sagen nach so langer zeit. aber alles singt von der sehnsucht, die sich nicht totkriegen läßt, solange wir da sind.






zwischen den fellen


langes bohren war notwendig, um mo zu entlocken, was denn nun gemeint gewesen war, als sie nach dem frühstück fragte: wir wären doch schon am frühen morgen wach gewesen, und sie hätte doch etwas gesagt, und ich hätte doch auch, ob ich mich erinnere? und da ich mich nicht erinnerte: daß sie dann vielleicht geträumt hätte, obwohl sie noch irritierend genau wüßte, wie sie es gesagt, ihr aber peinlich sei, es jetzt, wenn sie es denn nur geträumt, zu wiederholen.

später: daß sie schade fände, es nun offensichtlich nicht tatsächlich gesagt zu haben, weil sie es gerne gesagt gehabt hätte, obwohl ich ja eigentlich wüßte, aber das sagen eben manchmal notwendig sei. und hoffentlich sich in zukunft wieder eine gelegenheit ergeben würde, in die es gesagt werden könnte.

das alles war sehr schön.






remix


du rufst und ich folge. du wechselst das stadtbild: jetzt sind wir allein. die fenster sind lücken, einflugschneisen im späten august. ich stolpere betrunken über wahllose gleise und blumen, die aus dem asphalt steigen hinter und neben dem takt, fersenweise. schau an, schau an, du trägst keine schuhe, sieh da, ein auto, eine katze, zwei, drei. ein kreis durch den luftraum, du rufst und ich folge. du tanzt, du drehst die stadt auf leise, und löwen und schwingen und steinerne menschen wachsen aus dem moos in mein weichbild hinein. "das ist die straße", hör ich dich sagen, "die der vater von sergej eisenstein."






gegenüber


ein hauch von salzigem dunkelgrün, als dein gesicht sich mir nähert, graue wolken hinter den augen. ein leichter, schuppiger geruch, dann lippen an meinen, sandig. fühlt sich warm an. die oberfläche deiner zungenspitze hat einen film - süß und sauer und salzig und bitter: alles, was sich schmecken läßt. zwei sich verjüngende runde körper; augenlose, maullose fischköpfe, die sich umkreisen und gegenseitig einhüllen in eine schützende schicht aus säuerlichem sirup. und tatsächlich: nach minuten schiebt sich langsam etwas festes aus dem hintergrund am tanz vorbei, eine gräte, die aus deinem hals in meinen fährt. ein kratzen im hals. ein haken. dann bleibt mir die luft weg.






von innen


ist ein herz aus papier an meine tür genagelt, weiß der geier, was das heißt (vielleicht: das brennt schnell und vor allem schnell ab): wir sind kein aas, wir brechen den wind verschiedener städte, wir setzen uns sehnsucht in ohren und kehle. war eine gewesen, mh, keiner küsse waren besser, fast keiner stimme schien mir so fern. wie stumm die erinnerungen sind, die tanzen nur warm um den nabel, von innen.






arbeit


immerhin so weit bin ich schon, daß mir hier und da ein wille aus den knien heraussuppt. käme jetzt noch das eine oder andere gefühl dazu, könnte ich sehr zufrieden sein. es fehlt nur der glaube. so viele wörter hier, die ich abgeschafft haben wollte. es fehlt nur ein messer gegen die zweite haut, damit sich mein innen ins weite haut.






diskussionen


eines dieser chamäleongespräche über alles, was wichtig ist. irgendwann im themenkreis liebe meine ich, ich fände, daß ich vor allem nicht zu mir selbst paßte. mo meint, man solle sich nicht mit fragen und sagen abgeben, die einem nichts bringen. ich sage, was sie fortschritt nennen würde, wäre nichts als der zwang zur bewegung. so geht das immer, ohne punkt und ende. mag ich. insgeheim bin ich natürlich immer ihrer meinung. um sie zu ärgern, würde ich das allerdings höchstens zugeben, indem ich überzeugt verkünden würde, es wäre ja letztendlich eh alles egal, weshalb es auch keine rolle spielen würde, welchen standpunkt man vertritt.

mit anderen worten. einen standpunkt vertreten = auf einem dimensionslosen etwas so lange herumtrampeln, bis es ein formloser fleck ist.