rücken

(blätter // Mittwoch, 8. Oktober 2003, 21:18)

der herbst schabt am fenster, als würde er dich holen wollen. du sitzt auf der kante deines bettes und überlegst. kaffee. du mußt dringend kaffee kaufen, denkst du. was warmes zum trinken. ein buch lesen und was warmes trinken, das wäre jetzt genau das richtige. kann man ja sowieso nichts vernünftiges anstellen, bei dem wetter. ein buch. wann hast du eigentlich das letzte mal ein buch gelesen? kannst du dich gar nicht erinnern. muß jedenfalls schon ganz schön lange her sein. letzten winter vielleicht. dann wird es allerhöchste zeit, mal wieder was zu lesen. aber bevor du keinen kaffee hast, wird das definitiv nichts.

über dir läuft jemand. holzparkett, da hört man jeden schritt. du fragst dich immer, was die leute wohl machen, wenn du sie herumlaufen hörst. die laufen ja sicher nicht einfach so, um des laufens willen, die haben bestimmt einen guten grund. aber was wäre ein guter grund, um so verdammt viel in der eigenen wohnung herumzulaufen? stundenlang manchmal. du hörst dann zu und stellst dir vor, wie das zimmer über dir wohl möbliert ist, entwirfst anhand der wege, die du am geräusch der schritte nachverfolgen kannst, und der punkte, an denen dein obermieter - oder vielleicht ist es eine frau? dir fällt auf, daß du immer noch keine ahnung hast, wer eigentlich über dir wohnt - verharrt, sich hinsetzt vielleicht oder etwas aus einem regal nimmt, im kopf einen plan der einrichtung. aber jetzt ist er - oder sie - anscheinend gerade aus dem raum gegangen.

wenn du ein buch lesen wolltest, müßtest du natürlich erst einmal eins kaufen. du stellst dir vor, wie du im laden stehst, völlig orientierungslos. vielleicht wäre eine verkäuferin da, der du leid tätest und die dich fragen würde, ob sie dir helfen könne. vielleicht würdest du sie dankbar anlächeln, und sie würde zurücklächeln und ihr würdet einen kurzen moment nur dastehen, inmitten der regale voller bücher, und euch anlächeln, und dann würde sie zu einem der regale gehen und ein unscheinbares taschenbuch herausziehen und sagen: das hier ist genau das, was sie brauchen.

im moment jedenfalls brauchst du kaffee, denkst du dir. oder vielleicht tee. irgendwas warmes zum trinken.

draußen hat es wieder angefangen zu regnen. so lange es regnet, wirst du bestimmt nicht rausgehen, so viel ist klar. du sitzt auf der kante deines bettes, wo du schon seit heute morgen sitzt, und es ist still in deinem zimmer. du hast seit acht tagen die wohnung nicht verlassen, der herbst schabt am fenster, und du wartest darauf, daß ich mich endlich bewege.



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