@ Macbeth

(prosa // Samstag, 25. September 2004, 17:10)

Für Shakespeare ist der Mord eine externe Kategorie, die von einem Punkt außerhalb der Natur in den Menschen eindringt. Ein Vorgang, der identisch ist mit legitimem Töten, das ist sehr wichtig. Das göttliche Gesetz ist hier: „Du sollst nicht morden.“ Daß die Frage der Definition von illegitimem „Mord“ (dem Vertragsbruch) im Unterschied zu legitimem (vertraglich festgehaltenem) „Töten“ eine ethische, und damit rein menschliche ist, sieht der Text nicht. Ihn interessiert nur, was die feste Kategorie „Mord“ im Menschen und dadurch (Besessenheit) in seiner Welt anrichtet. Fraglich, ob ich es mir heute noch leisten kann, die ethische Frage außen vor zu lassen. Oder ob nicht genau sie es ist, die eine Inszenierung stellen müßte. Nicht: „Was macht Mord?“, sondern vielmehr: „Was ist Mord?“ Die Rechtsgrenze zwischen dem Objektiven (Töten) und dem Subjektiven (Morden) ist verschwunden oder hat sich vielmehr in die Unendlichkeit ausgedehnt: Der andere ist immer eine Aufforderung, ihn zu töten, und immer gleichzeitig eine Aufforderung, das nicht zu tun. Mord ist entweder immer oder nie – er ist jedenfalls immer präsent durch die Gegenwart des Anderen. Wir versuchen ihn nur einzudämmen, der Unerträglichkeit des Widerspruchs (alles, was ist, ist zugleich nicht) auszuweichen, indem wir eine soziale Definition des Gesetzes (Vertrags) erfinden, einen Container. Die Realität des Bewußtseins mit seiner Fähigkeit zur Entscheidung aber kennt keine Verträge, kann keine kennen (deshalb braucht sie sie so sehr, und deshalb zerstört sie sie immer wieder (alles Begehren zerstört sein Objekt)). Diese Erkenntnis hat Macbeth, und sie zerschlägt ihn wie einen Spiegel.



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