harmlose prosa

(exil // Sonntag, 19. Dezember 2004, 10:08)

"try out" einer theaterraumbesetzung in der halle g gestern, so eine art punk-simulation? nein, harmlos. sitzen wir erst einmal alle brav im zuschauerraum und schauen auf die reste der alten bühne von fabre, den ich nicht gesehen habe, der aber gut gewesen sein soll, meinte m., allerdings bin ich bei m. auch skeptisch, weil die phrasen ihrer geschmacksbemäntelung so dichtgewachsen sind, jedenfalls brav auf den sitzen, von denen wir die "reserviert"-schilder verschämt entfernt haben.

wird klar, daß hier jetzt eben kein "frontaltheater" stattfinden soll, sondern irgendwo irgendwie irgendwas gemacht wird aus den assoziationen der fabreschen vorderbühnen-seitenbühnen- hinterbühnen-aufenthaltsraum-vorgaben. gut okay, ja, ich bin auf die theaterraumvorschreibungen "reingefallen", ich dachte, ich könnte hier sitzen und mir was angucken, aber ich muß irgendwann, nachdem ich eine papiertaube aus einem "reserviert"-blatt habe fliegen lassen (sie kommt nicht weit), wohl oder übel aufstehen und rumlaufen.

die "aktionen" sind alle langsam und soft, vielleicht liegt das am fabre? oder doch daran, daß sogar das punk-revival schon wieder tot ist? die eigentliche bühne, der boden überzogen mit olivenöl (der wächter kommt bis zu "dramaturgischen gründen", mehr kann er mir auch nicht sagen) darf man allerdings dann nicht betreten - zu gefährlich. aufpasser allenthalben, die ein auge darauf haben, daß die "besetzung" auch friedlich vor sich geht und nichts beschädigt wird. sind aber alle höllisch friedlich, schließlich ist das ja nur spaß hier. hinten haben sie den aufenthaltsraum zum partyzimmer umfunktioniert, unmengen ottakringer für umme in einer tonne mit eis, dj und live-knarz, gute musik, pappräume in denen man sich beim trinken filmen lassen kann, alle sehr nett und freundlich.

gut, bin ich also nicht mehr im theater, sondern in einem club, das ist ja nun nicht unbedingt besser, sondern eben anders. erst mit meinem unwillen konfrontiert, der impliziten aufforderung, von meinem bequemen theatersessel aufzustehen, zu folgen, sitze ich jetzt da und scheitere wie üblich am clubdispositiv angeregt-inhaltsleerer konversation. ein bier, ein bißchen rumlaufen, zugucken, zweites bier, s. will nicht mehr herkommen, obwohl ich ihn mit dem locke, was das einzig gute motiv für alles zu sein scheint: bier und buffet umsonst, mann! drittes bier, gesprächsfetzen. kontakt ergibt sich zuallererst aus räumlichen anordnungen oder irgendwie performativ. baue dominosteine zu einer reihe auf und jemand stößt sie um und rennt schnell wieder weg. ich erinnere mich an eine feier, auf der ich mich mit einer unbekannten eine viertelstunde lang mittels jonglierkeulen unterhalten habe, keine worte. sprache versagt bei mir unter vielen leuten, ich brauch inhaltlich vorstrukturierte räume. in dieser clubsimulation ist es lächerlich, über den sinn der aktion zu reden, in einer clubsimulation ist es lächerlich, über irgendwas zu reden, aber unterhalten muß man sich.

am spind stelle ich das vierte bier (noch voll) und meine wasserflasche in ein fach, während ich den rucksack aus dem darüberliegenden ziehe, sie stehen farblos und gelb nebeneinander wie eine jüngere und eine ältere schwester. am spind links neben mir eine frau, sie schlägt vor, die beiden flaschen, dieses schöne bild, einzuschließen und nach drei tagen wiederzukommen und sie sich noch einmal anzuschauen. ich sage etwas über die schwierige wahl zwischen ästhetik und genuß und daß ich mich für den genuß entscheide. sie sagt, das hätte sie auch getan.

zehn minuten später zentrifugiere ich mich heimwärts und denke an prätentionen und küsse.



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