brief

(agebu // Mittwoch, 23. Februar 2005, 18:23)

ach, große,

weißt du, daß es ne gute sache sein kann, was neues zu lernen, ist mir schon bekannt, aber von wurzeln weiß ich nichts. ich weiß was von mischmasch und einem teig, den ich nicht angerührt habe und vielleicht schmeckt jeder keks oder kuchen oder was ich auch backen will gleich, ich wechsle nur die streusel. was ich meine, ist sicherheit, ist sich verlassen können auf etwas, für ein paar minuten lockerlassen vielleicht. daß das immer weniger gehen wird, weil es immer mehr tod in sich trägt. das bißchen entrüstung... es ist ja ganz witzig, in berlin grüßgott zu sagen, aber was heißt das? mit dem ort wechselt die sprache, und alles frißt sich in mich rein, "lernen" klingt ja so, als könnte mans entscheiden. als wäre erfahrung eine sache des willens.

weil das gefühl für mich mir ja erzählen will, ich wäre ewig, weil ich weder anfang noch ende habe, und ich wäre immer gleich. der blinde fleck. nichts von dem, was ich sehen kann an mir, ist immer gleich. der bauplan bleibt im schatten. das ist wie mit der stadt. alles, was funktioniert, scheint eine gute idee gewesen zu sein. stadtplanung. ich weiß nicht. nichts ist einfach, und nichts ist so und so. nichts ist gut. und nichts ist schlecht. es ist alles so und so. verstehst du, was ich meine?

und manchmal sind die spiele gut, und manchmal soll es ohne gehen, und dann geht es nicht ohne und dann geht es nicht mit. und manchmal wäre es schön, das ziehen von innen richten zu können: auf ein bild, einen himmel, eine stimme, ein gestern oder ein morgen. aber auch das geht nicht auf, es bleibt ein rest, der nirgendwo hineinpaßt. dieser rest bin ich.

morgen wird ein anderer tag sein als heute, ich werde ein anderer sein. daß es ein tag ist, bleibt gleich, und daß dann ein anderer kommt, und davor einer war, und so weiter. ahb neulich geredet mit m. über die bestürzung, die einen immer wieder befällt, für einen moment, als würde die welt zerreißen und es wär nichts dahinter. daß nichts eine bedeutung hat, das war immer schon so, daß wir bauen und bauen und bauen, und alles macht sinn, solang ich es spüre, aber wenn ich das verliere... und das passiert, das verlieren, sekunde für sekunde. wie das fallen. wie das vergehen.

es gibt im hiob so wundervolle stellen über den tod. kapitel 7 oder 10:

"Ist denn mein Leben nicht kurz? So höre auf und laß ab von mir, daß ich ein wenig erquickt werde, ehe denn ich hingehe - und komme nicht zurück - ins Land der Finsternis und des Dunkels, ins Land, wo es stockfinster ist und dunkel ohne alle Ordnung, und wenn's hell wird, so ist es immer noch Finsternis."

das geht mir nach, ich weiß nicht, weshalb. mein tod ist noch weit, glaube ich. aber alles wird klein im gedanken daran, und alles wird blaß, als wär es schon fast weg.

das ist die flucht unter den sinnen hinweg, die sehnsucht nach auslöschung. das ist die flucht fortschritt, schritt für schritt fort vom körper. wenn ich nur schmecken könnte, und riechen, und spüren, haut an haut, und sehen wie im traum, dicht und echt, echter als man sieht, wenn man wach ist, wo alles schon verwandelt ist in ein flimmern des bildschirms.

ich hab letzte nacht geträumt, meine diplominszenierung war ein video, ich habe es p. und r. gezeigt und es war, als würd ich es selbst nicht kennen. habe selbst gesprochen, merkwürdige bilder, ganz aus der hand von einem laien gefilmt. die letzten zehn minuten waren nur noch stimme, der bildschirm schwarz, mit einem countdown bis zum ende, der ab und zu vor und zurück sprang, als wär sich die zeit ihrer selbst nicht sicher. lange gesichter. p. mäkelte an meiner sprechweise herum, die "eine kühle sexualität" oder so was hätte haben müssen, das würde er mir nicht verzeihen können, und r. versuchte immer, ihn wegzuziehen, schnell rauszukommen. sehr merkwürdig. bin aufgewacht und wußte nicht, ob ich jetzt diesen film also machen sollte oder nicht. weiß nicht mehr oder wußte auch schon im traum nicht, worum es eigentlich ging.

worum geht es eigentlich?

"Ich vergehe! Ich leb' ja nicht ewig. Laß ab von mir, denn meine Tage sind nur noch ein Hauch."

was sollst du dazu sagen? weiß ich nicht. nichts. mach noch ein bißchen weiter. wir sehen uns bald. ich hab schon was, was ich dir vorlesen werde, wenn ich zurück bin.

bis dahin alles liebe. a.

p.s. meine haare stehen aber noch, aufrecht und zitternd, hier.



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