brecht - wer braucht eine weltanschauung?

(brecht // Mittwoch, 30. Mai 2007, 11:24)

Es heißt Denken defaitistisch auffassen, wenn man ihm jeden tieferen Einfluß nimmt. Um ihm den Einfluß zu gewähren – vom Denken zu verlangen, daß es Einfluß ausübt: bedeutet einen Anspruch an das Denken stellen –, muß man natürlich verzichten auf eine Vorstellung, die einen Leonardo, dem die Arme fehlen, dennoch malen läßt. Die Vorstellung, daß den geknebelt in einem Erdloch bei dem Gewürm Angeschmiedeten nichts hindern könne, wenigstens zu denken, was ihm beliebe, mag jene trösten, die im Angeschmiedetsein ein unveränderliches Schicksal sehen. In Wirklichkeit denkt der von der Wirtschaft Geknebelte aber nur dann frei, wenn er sich in Gedanken befreit, und zwar von der Wirtschaft. Und dies kann er nur, wenn sein Denken die Wirtschaft verändert, also die Wirtschaft von sich abhängig macht, also von der Wirtschaft abhängt. Erkannt zu haben, daß das Denken was nützen müsse, ist die erste Stufe der Erkenntnis. Die Mehrheit derer, die diese Stufe erreicht haben, gibt angesichts der Unmöglichkeit, eingreifend zu denken, das Denken (das nur spielerische Denken) auf. Eingreifendes Denken ist nicht nur in Wirtschaft eingreifendes Denken, sondern vor allem in Hinblick auf Wirtschaft im Denken eingreifendes Denken.



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