präsident schreber

(agebu // Montag, 20. April 2009, 17:41)

Eine sichere Voraussage, was aus mir werden wird und in welcher Weise es etwas möglich sein wird, den weltordnungswidrigen Zustand, in welchem sich Gott in Folge der Anziehungskraft meiner Nerven anscheinend der ganzen Erde gegenüber befindet, dereinst wieder in weltordnungsmäßige Bahnen zurückzuleiten, ist natürlich unmöglich. Es handelt sich um eine Verwickelung, für die nicht nur alle Analogien aus der menschlichen Erfahrung fehlen, sondern die auch in der Weltordnung selbst niemals vorgesehen gewesen ist. Wer möchte sich daher einem solchen Verhältnisse gegenüber in haltlosen Vermuthungen für die Zukunft ergehen? Sicher ist für mich nur eine Negative, nämlich die, daß es niemals zu der von Gott beabsichtigten Zerstörung meines Verstandes kommen kann. Über diesen Punkt bin ich mir, wie bereits oben (Kap. XX) ausgeführt worden, seit Jahren vollständig im Klaren und damit ist für mich die Hauptgefahr, die mir im ersten Jahre meiner Krankheit zu drohen schien, beseitigt. Denn was kann es für einen Menschen, zumal für einen in so vielen Richtungen hochbegabten Menschen, wie ich es zu sein ohne Selbstruhm von mir behaupten darf, Entsetzlicheres geben, als die Aussicht, den Verstand verlieren zu müssen und im Blödsinn unterzugehen? Alles, was mir sonst etwa bevorstehen mag, erscheint mir demgemäß mehr oder weniger nebensächlich, nachdem ich durch jahrelange Erfahrung die sichere Überzeugung erlangt habe, daß alle Versuche in dieser Richtung im Voraus zur Erfolglosigkeit verurtheilt sind, insofern die Weltordnung auch Gott selbst nicht die Mittel an die Hand giebt, einem Menschen den Verstand zu zerstören.

Dr. jur. Daniel Paul Schreber, Senatspräsident beim Kgl. Oberlandesgericht Dresden a. D.: DENKWÜRDIGKEITEN EINES NERVENKRANKEN. Bürgerliche Wahnwelt um Neunzehnhundert, mit einem Frontispiz, 385 S., Einband angestaubt, mit leichtem Kellergeruch, sonst sehr gutes Exemplar, Original-Broschur.

Was die Gestaltung meines Lebens bis zu meinem etwaigen Tode betrifft, so glaube ich eine gewisse Verbesserung meiner äußeren Lebenslage, Aufhebung der Entmündigung, Entlassung aus der hiesigen Anstalt u. s. w. innerhalb angemessener Zeit ohne besondere Schwierigkeiten erreichen zu können. Der Erkenntniß, daß, was es auch immer mit meinen "Wahnideen" für eine Bewandtniß haben möge, man in mir jedenfalls nicht einen Geisteskranken von gewöhnlichem Schlage vor sich habe, werden auch andere Menschen auf die Dauer sich nicht entziehen können.



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